Alltag
Des Lebens ganze Fülle
Eine Liebeserklärung an die Wunder der Welt von Edward O. Wilson
»Ich bin, wie der Physiker Victor Weißkopf einmal von sich sagte, ein
glücklicher Mensch in einem schrecklichen Jahrhundert. Meine Sorge galt
allerdings nicht dem atomaren Schlagabtausch und dem atemberaubenden technischen
Fortschritt, sondern etwas ganz anderem: Ich war Augenzeuge grundlegender
Veränderungen.« Der Pulitzer-Preiträger Edward O. Wilson ist ein besessener
Naturforscher und weltberühmter Myrmekologe, sein wöchentliches Arbeitspensum für
Forschung und Lehre beträgt wenigstens 80 Stunden. Sein ganzes Leben war er
»in das starre Korsett meiner Arbeitssucht eingezwängt«, wie er in seiner
1994 erschienen Autobiographie schreibt, die in den USA unter dem Titel
»Naturalist« erschien und auf Deutsch von »Des Lebens ganzer Fülle« erzählt.
Edward O. Wilson (den der amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe als zweiten
Darwin feiert) ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Insektenforschung und gilt
zusammen mit Irenäus Eibl-Eibesfeldt als Begründer der Soziobiologie und
ist einer der führenden Evolutionsbiologen. Sein in Fachkreisen schon
frühzeitig bekannter Name wurde einer breiteren Öffentlichkeit rasch bekannt, als
sich der 1930 in Alabama geborene Wilson im Alter von 45 Jahren zutraute,
verschiedene Strömungen der damaligen Biologie in eine neue wissenschaftliche
Disziplin einmünden zu lassen, der er den provozierenden Namen »Soziobiologie«
gab. Darüber hinaus hat er sich auch als Autor von preisgekrönten Fach- und
Sachbüchern einen Namen gemacht.
In »Des Lebens ganze Fülle« (1999) - eine Liebeserklärung an die Wunder
der Natur - berichtet er über seine ersten, prägenden Erlebnisse, die ihn zu
seiner Berufswahl geführt haben, über seine Ausbildung, seine Forschungen,
den Austausch mit anderen Wissenschaftlern und den heutigen
Wissenschaftsbetrieb. Humorvoll schildert er die Zeit der Feldforschung in exotischen Gefilden
und die Querelen in der akademischen Fachwelt. Die Passagen, in denen
Wilson die Debatten um die Soziobiologie schildert, lohnen allein die Lektüre des
Buches, das nicht nur ein komplexes Lesevergnügen, sondern auch dramatische
Einsichten in die Seele und die Grundhaltungen eines entschlossenen
Forschers bietet, der im Fühlen immer stärker war als im Denken. Zu diesen
Einsichten gehört nicht nur die freimütige Art, mit der Wilson vom tragischen
Selbstmord seines Vaters berichtet, den er nur als Alkoholiker gekannt hat. Dazu
gehört die wunderbar liebevolle Weise, mit der »sanfte Provokateur«
darstellt, wie Gedanken in ihm reiften und durch welche Einflüsse sich maßgebende
Veränderungen seiner Ansichten ergaben.
»Meine persönlichen Interessen und mein Beruf bringen es mit sich, dass ich
diese Veränderungen genau verfolgt habe. In meinen jungen Jahren als
Wissenschaftler und Naturforscher änderte sich mein Weltbild entsprechend dem
Fortschritt in der Evolutionsbiologie und dem Schwinden des natürlichen
Lebensraums, den die Biologen in der naturwüchsigen Umwelt beobachten. Von der
Kindheit bis ins mittlere Lebensalter spiegelte meine Ontogenese die umfassendere
Phylogenese wider. Die Natur verwandelt sich in etwas Neues.« Mona Lisa,
Krieg und Frieden, der Aufbau der Atome und die Entstehung der Arten: Für
Edward O. Wilson gehört das alles zusammen - Produkte natürlicher Prozesse, die
sich irgendwann einmal verstehen lassen. »Noch auf dem Höhepunkt einer
glanzvollen Karriere hat sich der Wissenschaftler das Staunen und die Neugier
seiner Kindheit bewahrt. Eine selten gewordene Fähigkeit, die den Menschen
Edward O. Wilson und dieses Werk so liebens- und lesenswert macht.«
Das jüngste Werk des Soziobiologen Edward O. Wilson »Darwins Würfel« ist
einer Sammlung von zwölf Aufsätzen die zwischen 1975 und 1993 veröffentlicht
wurden, das zentrale Thema ist die enge Verflechtung zwischen
außermenschlicher und menschlicher Natur. Wilson erklärt hier, dass wir dies nur dann
verstehen, wenn wir es als Produkt der Evolution betrachten, die in enger
Wechselwirkung miteinander entstanden. »Die Naturgeschichte gewinnt so an
Sinnhaftigkeit, während die Vielfalt des Lebens, die wir durch die Ausrottung von
Arten so rücksichtslos verringern, einen höheren Wert erhält.« Unser Verhalten
erscheint dann nicht bloß als Produkt der überlieferten Geschichte der
letzten zehntausend Jahre, sondern auch unserer Vorgeschichte und des
Zusammenwirkens von genetischen und kulturellen Veränderungen, aus dem im Verlauf von
Hunderten von Jahren der Mensch hervorgegangen ist. Die Aufsätze sind eine
wissenschaftliches Credo, eine dringliche Aufforderung rechtzeitig zu
entdecken zu wissen und deshalb zu erhalten. Denn: »Darwins Würfel sind gefallen,
und sie verheißen der Erde nichts Gutes ...«
Aus dem Inhalt: Natur der Tiere - Natur des Menschen; Die Schlange; Zum Lobpreis der Haie; In Gesellschaft von Ameisen; Kooperation bei Ameisen.
Die Muster der Natur; Altruismus und Aggression; Die Menschheit, aus der Ferne gesehen; Kultur als ein biologisches Produkt.
Der Paradiesvogel: Der Jäger und der Dichter; Das Füllhorn der Natur; Die kleinen Wesen, die die Welt regieren.
Der Aufstieg der Systematik: Biophilie und Umweltethik; Begeht die Menschheit Selbstmord?
(
Renate Bernardyn-Gabler
)