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Der Griff zum Ohr ist meist die letzte Möglichkeit, den Lärm zu dämpfen. Die Politik ist in Österreich dabei säumig - trotz Gesetzes.

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Wien - "Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden" - hätte Wilhelm Busch schon den Verkehrslärm heutiger Tage gekannt, wäre ihm wohl eine andere Lärmquelle als gerade Töne eingefallen. Der Gesetzgeber hat sich gegen die Lärmbelastungen durch den Verkehr Maßnahmen ausgedacht - nur hält er sich nicht daran.

 

Es brauchte den Anstoß aus Brüssel, dass sich in Österreich die Politik überhaupt mit dem Thema Umgebungslärm beschäftigt hat. Im Jahr 2002 erließ die EU die entsprechende Richtlinie, die in Österreich im Juli 2005, also vor drei Jahren, zum "Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz" (abgekürzt Bundes-LärmG) geführt hat.

Darin finden sich vielfältige Vorhaben. Beispielsweise die "strategischen Lärmkarten". Das sind Pläne, auf den zunächst die Hauptverkehrsachsen bei Bahn und Schiene, Großflughäfen und Städte mit mehr als 250.000 Einwohner (de facto nur Wien) eingezeichnet sind. Und auf denen zu sehen sein muss, wie viele Dezibel den Anrainern dort so in die Ohren fliegen.

Pflicht zur Öffentlichkeit

Fertig werden mussten diese Pläne laut dem sechsten Paragrafen des Gesetzes bis zum 31. Mai 2007. Was sich dort auch findet: Der Umweltminister hat diese Pläne "zusammenzustellen und diese Unterlagen ... der Öffentlichkeit laufend zugänglich zu machen."

Im vergangenen Sommer präsentierte man sich im Umweltministerium noch tatkräftig. Bis zum September 2007 seien die Lärmkarten schon fertig, gaben sich die zuständigen Beamten damals auf Nachfrage des Standard zuversichtlich. Im Internet sollte man unter www.laerminfo.at darauf zugreifen können, seine Adresse eingeben und wissen, wie laut es ist. Surft man die Homepage an, findet man auch heute noch lediglich einen passwortgeschützten internen Zugang.

Das Bundes-LärmG schreibt nicht nur diesen Kakophonie-Kataster vor, sondern auch die "Aktionspläne." In denen sollen die Minister und Landespolitiker, beziehungsweise die Beamten die Maßnahmen festlegen, mit denen sie zu laute Gebiete leiser machen wollen. Auch dafür findet sich eine Frist im Gesetz: der 31. Mai 2008.

Diese Kataloge der geplanten Maßnahmen sind ebenso - "der Öffentlichkeit laufend zugänglich zu machen." Was bisher ebenso wenig passiert ist. Dabei hatten Beamte spekuliert, dass Ende Mai der logische Termin wäre um Lärmkarten gemeinsam mit den Aktionsplänen zu präsentieren. Zeigen die Karten verheerende Werte, kann der Minister demonstrieren, wie er den Schall dämpfen wird.

Warum die im Gesetz vorgeschriebenen Termine ignoriert und zum Lärm nur ein großes Nichts produziert, bleibt unklar. Der Pressesprecher von Umweltminister Josef Pröll (VP) erfüllte die Bitte um einen Rückruf bis Redaktionsschluss nicht. Insider vermuten, dass zunächst noch versucht wird, möglichst große Teile der betroffenen Gebiete lärmtechnisch zu sanieren. Soll heißen: Erst werden so viele Lärmschutzwände wie noch möglich gebaut, um dann eine bessere Bilanz ziehen zu können.

Wien hat einen Lärmkataster

Doch nicht jedes Bundesland ist säumig. In Wien können sich die Bewohner bereits im Internet überzeugen, ob sie überempfindlich reagieren oder es in ihrer Straße tatsächlich so laut ist. "Straßenlärmimmisionskataster" heißt der Plan im Amtsdeutsch. Interessant ist er trotz des sperrigen Titels. Man erkennt dort zum Beispiel, dass der Ring deutlich leiser als der Gürtel ist, aber Teile der Josefstädter Straße den Lärmpegel des Äußeren Gürtels erreichen.

Wirklich gemessen wird der Schallpegel übrigens weder von der Stadt, den Ländern noch dem Bund. Sämtliche Karten beruhen auf Rechenmodellen: Wenn diese Anzahl von Autos, Zügen oder Flugzeugen jenes Gebiet überquert, geben sie eine auf Normen basierende Dezibelzahl ab. In der Stadt betrifft die zum Beispiel Gebäude in vier Meter Höhe - wer niedriger lebt kann es lauter haben. (Michael Möseneder, 16. Juli 2008)