Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war vor ein paar Wochen. Am Vormittag. Und noch während der Euro. Aber das hat mit dieser Geschichte eigentlich nichts zu tun – abgesehen davon, dass S. und ich nicht in der Zeltgasse gewesen wären, wen uns da nicht eine Fußballumfeldgeschichte hin verschlagen hätte.

 

Und so standen wir im achten Bezirk and er Ecke Strozzigasse/Zeltgasse und warteten, als wir von gegenüber Geschrei hörten: Ein Radfahrer und ein Autofahrer waren aneinander geraten. Die beiden brüllten ohne Aufwärmphase aufeinander ein. Deshalb konnten wir jeweils nur einem halben Aug und einem halben Ohr aufpassen – und riskierten trotzdem nicht, irgendetwas zu versäumen.

Klassiker

Wie auch? Schließlich war und ist der Konflikt ein Klassiker: Die Zeltgasse ist nämlich ebenso kurz wie Einbahn. Und so standen Herr A und Herr B einander mit ihren Fahrzeugen gegenüber, ließen den anderen nicht passieren und brüllten.

"Bist blind, Hirnederl? Des is Einbahn!" brüllte der eine – und bekam umgehend Kontra: "Na und? Was gehd des di aun, G´schissana!" "Soll i di anzeig´n – oder liaba in die einefoan?" – "Oida, des Gasserl is 30 Meter lang, des krotzt ka Sau, waun i do so foa. Des hod no nia wen g´stört."" "Oba mi steads. Jetzt grad – und imma. Weu aus Prinzip." – "Mid dein´ Prinzip kaunsd da in Oasch auswisch´n." "Denk no amoi Oasch – und du fangst ane." – "Na trau di!"

Kalmierung

An dieser Stelle mischte sich eine Passantin ein. Was sie sagte, konnten wir nicht zwar weder hören noch verstehen. Aber die beiden Streithanseln beruhigten sich, verzichteten auf Gewalttätigkeiten. Und fuhren – ein paar markige Abschiedsflüche auf den Lippen – aneinander vorbei: Der Radfahrer kam die Zeltgasse herauf und bog vor S. und mir in die Strozzigasse ein. Der Autofahrer fuhr noch ein paar Meter weiter stadteinwärts und verschwand dann links in einer Garage.

S. und ich hatten die Geschichte Sekunden später fast wieder vergessen: Der Wiener-Einbahn-Klassiker eben. Trägt sich so – wenn auch meist weniger aggressiv – täglich hunderte Male zu. Aber dann begann S. zu lachen – und zeigte auf das Einbahnschild an der Ecke. Wir staunten beide: Die Zeltgasse ist nämlich Einbahn stadtauswärts – es war also nicht de Radfahrer gewesen, der da regelwidrig unterwegs gewesen war. Aber unter umgekehrten Vorzeichen hatten wir beide den Auto-Rad-Einbahn-Wickel wirklich noch nie erlebt.