Wien - Die internationale Presse kommentiert die Gründung der Mittelmeerunion am Montag:

"Le Figaro" (Paris):

"Die Versammlung der Staatschefs der Mittelmeerländer und der EU ist zweifellos ein Erfolg für die französische Diplomatie und ein persönlicher Sieg für Präsident Nicolas Sarkozy. Gewiss musste das ursprüngliche Projekt reduziert werden, da unsere Partner im Norden und Osten, die Deutschen an erster Stelle, ziemlich entfernt sind vom Mare Nostrum, der Wiege der lateinischen Zivilisationen. Die Anerkennung der Unabhängigkeit des Libanon durch Syrien ist die zweite gute Nachricht. Die Zukunft wird zeigen, ob Syrien bereit ist, weiter zu gehen. Doch unabhängig von den Wechselfällen und unvermeidlichen Krisen der Zukunft, dieses Treffen im Grand Palais ist ein Meilenstein in der chaotischen Geschichte des Nahen Ostens."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Hier ist also der Bling-Bling-Präsident, der Politiker, der bisweilen spricht, als stünde er am Bar-Tresen, immer ein wenig hektisch, sogar ein bisschen arrogant. Er hat die Franzosen enttäuscht und mit der singenden Gattin ein wenig zu viel Platz in den Illustrierten eingenommen. Man kann so weiterhin über Sarkozy lächeln und an ihm zweifeln. Und doch ist dies der Staatsmann, der in einem Jahr Europa neue Möglichkeiten eröffnet hat und der heute - den Grundstein legend für die Mittelmeerunion - der Welt eine Hoffnung auf Frieden und ziviles Zusammenleben geschenkt hat. Klar, die Handschläge, Absichtserklärungen und Gruppenfotos reichen dabei nicht aus, die politische Landschaft zu verändern und die Waffen zum Schweigen zu bringen. So wie ein Versprechen auch noch kein Projekt finanziert. Aber es sind letztlich solche diplomatischen Spektakel, die die Geschichte verändern."

"ABC" (Madrid):

"Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat der Suche nach Stabilität im Mittelmeerraum einen neuen Impuls gegeben. Es ist nicht der erste, aber der seit langem entschiedenste und solideste Impuls. Seit Beginn des Barcelona-Prozesses vor 13 Jahren war es nicht mehr gelungen, eine so vorteilhafte politische Konjunktur zu schaffen. Nun ist es notwendig, dass die Länder des südlichen Ufers ihren Kompromiss zur Integration umsetzen, um so den Fortschritt Wirklichkeit werden zu lassen, nach dem deren Bevölkerung schreit. Der Frieden, und dies gilt nicht nur für Israel und die Palästinenser, ist eine unentbehrliche Voraussetzung für die Entwicklung von Ländern, die immer noch in alten Feindschaften und steriler Gewalt verankert sind."

"Tages-Anzeiger" (Genf):

"Abgesehen von einer Sonderbriefmarke der französischen Post sind freilich konkrete Ergebnisse der Veranstaltung von Paris noch nicht zu erkennen. Die nahöstlichen Staatschefs haben erfreuliche Willensbekundungen abgegeben, die sich auf Französisch deutlicher anhörten als auf Arabisch. Wie ernst es den Syrern ist mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Libanons, kann sich bald zeigen; die Franzosen werden darauf drängen, dass der Botschafteraustausch möglichst vor Sarkozys Reise nach Damaskus geschieht. Ohne Friedensprozess im Nahen Osten wird die Mittelmeerunion ein Luftschloss bleiben - nicht mehr als eine Ouvertüre zu einem politischen Gesamtkunstwerk, an dessen Notwendigkeit im Übrigen kaum jemand zweifelt. Sarkozy wagt einen Sprung ins Ungewisse."

"Delo" (Ljubljana/Laibach):

"Wird die Mittelmeerunion ähnlich wie der Barcelona-Prozess ein lahmendes Kind sein oder wird die Idee von Nicolas Sarkozy, die zuerst auch in der EU auf Widerstand gestoßen ist, eine neue Dynamik in die ins Stocken geratene Zusammenarbeit zwischen den Nachbarn, die nicht nur durch das gemeinsame Meer getrennt werden, bringen? Ein gutes Zeichen ist schon die beinahe vollständige Beteiligung, denn nur Libyen war bei der Geburt der neuer Organisation abwesend. (...) Ermutigend klingen auch Berichte über Gespräche zwischen den Staatsmännern der zerstrittenen nahöstlichen Nachbarn. (...) Die Fortsetzung wird schwieriger sein, denn den erreichten Durchbruch müsste man durch die Lösung von Streitigkeiten, vor allem im Nahost-Konflikt, ausbauen. (...) Große Ambitionen wird man mit den verfügbaren Mitteln in Einklang bringen müssen, denn alleine für 44 Ökologiepläne im Mittelmeerraum würde man 2,1 Mrd. Euro brauchen. Die Gestaltung der Mittelmeerunion wird viel politische Geduld und ausreichend Finanzmittel verlangen, damit sie nicht bestenfalls zu einem Club Med-Sandkasten wird."

"Politika" (Belgrad):

"Die Vision Sarkozys wurde (...) als ein Versuch aufgefasst, eine einzigartige Union unter dem Taktstock von Paris zu bilden, die früher oder später zu neuen Spaltungen in der Europäischen Union in ein Europa des Mittelmeeres, des Nordes und des Ostens führen könnte. Von der tiefen Kluft, die die geografischen Interessengemeinschaften innerhalb der Europäischen Union spaltet, zeugt auch das langanhaltende Ringen um den Namen des Gipfeltreffens."

"Jutarnji list" (Zagreb):

"Auch nach der offiziellen Gründung ist niemand wirklich sicher, was die Mittelmeerunion ist. (...) Es war einfach, eine gemeinsame Sprache aller Mitglieder zu den gemeinsamen Herausforderungen, Bedrohungen und Interessen zu finden - aber mit so vielen Initiativen, Unionen, Foren und Gemeinschaften in einem Raum, der Teile Europas, Asiens und Afrikas umfasst, betrachten viele diese neue Union als eine große Idee, deren Ergebnisse nicht so einfach zu sehen sein werden. (...) Diese Union wird sicher ein interessantes Forum zur Diskussion gemeinsamer Probleme, aber ohne transparente Finanzierung und mit der Angst vor einer Überlappung mit der Europäische Union ist es wirklich schwer, große Ergebnisse zu erwarten."

"Novi list" (Rijeka):

"Auch wenn die Mittelmeerunion auf ihre anfänglichen Ziele fixiert bleibt - gemeinsame Umweltschutzmaßnahmen, Straßenbau, die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen, die Verbesserung der Ausbildung in den südöstlichen Ländern und die Kontrolle der Migrationen von Süden nach Norden -, wird die Initiative Sarkozys nicht bloß eine Show sein und auch keine neue Teilung in Interessensphären bewirken (...). Falls sie (die Mittelmeerunion, Anm.) ganz erfolgreich ist, könnte die Mehrheit ihrer Mitglieder große Vorteile aus ihr ziehen, besonders Frankreich. Das gilt auch für Kroatien, das mit den Mechanismen der Mittelmeerunion ein stärkeres Instrument für den Schutz der Adria bekäme. Als Land im geo-ökonomischen Zentrum dieser Union könnte Kroatien von einer ganzen Reihe großer Investitionen in der Mittelmeerregion profitieren, falls es sein Erbe aus der Ära Titos und der Zeit der Blockfreien zu nutzen weiß."

"Financial Times Deutschland" (Hamburg):

"Noch vor wenigen Monaten galt Nicolas Sarkozys Projekt einer Mittelmeerunion als Illusion. Auch (Deutschlands) Bundeskanzlerin Angela Merkel war dagegen. Gestern wurde in Paris mit großem Pomp die Gründung gefeiert. (...) Sarkozy hat allen Grund, mit sich zufrieden zu sein. Noch vor kurzem hätte kaum jemand viel Geld darauf gewettet, dass sich mehr als eine Hand voll nichteuropäische Gäste auf den Weg nach Paris machen würden. (...)

Ursprünglich hatte Sarkozy geplant, die Mittelmeerunion als Gegengewicht zur vermeintlichen Dominanz Berlins in der EU nach der Osterweiterung aufzubauen. Nichtanrainer wie Deutschland hätten seinen Plänen zufolge nur einen Beobachterstatus bekommen, obwohl die Nordstaaten einen großen Teil des EU-Haushalts und damit der Mittel für die Projekte der Mittelmeerunion aufbringen.

Merkel sah in dem Projekt daher eine Kriegserklärung des umtriebigen Franzosen - und reagierte hart. Die Kanzlerin schickte ihre Diplomaten in die arabischen Staaten, um Stimmung gegen Sarkozys Vorhaben zu machen. 'Jedes Mal, wenn wir in ein arabisches Land kamen, sagte man, die Deutschen seien bereits da gewesen', erinnert sich ein Unterhändler Sarkozys. Merkel wollte ihrem sprunghaften Partner in Paris vor dessen Start als EU-Ratsvorsitzender zeigen, was in der Gemeinschaft geht und was nicht - mit Erfolg. (...)

Sarkozys Co-Präsident Mubarak und andere Staats- und Regierungschefs betonen Merkels positiven Beitrag zur Gründung der Mittelmeerunion. Ein wenig Eifersüchtelei bleibt allerdings: Die französische Gipfelregie überträgt zwar Mubaraks Äußerungen über Merkel ins Pressezentrum, die lobenden Worte anderer Staatschefs lässt sie aus. Die Ehre soll an diesem Tag vor allem dem großen französischen Gründungspräsidenten gehören."

(APA/dpa/Reuters)