Ossiach - Eine Prostituierte und ein Mönch gelangen durch Askese zum selben Ziel - erfahren Erfüllung und Läuterung: Dem von frommer Naivität geprägten Libretto der Äbtissin Mutter Thekla ließ man in der Neufassung der Oper Maria von Ägypten auch aktuelle Bezüge angedeihen (Konsumrausch, Werteverfall), der Leitspruch "Viel mehr als nur ein Weg führt zum Heil" bestimmt die "Handlung".

Unter der Regie und Ausstattung Herbert Kapplmüllers und Lisa Stumpföggers entwickelt sich eine bewusst rasante Inszenierung, die auch vor vermeintlichen Tabus nicht zurückscheut: So darf Maria von Ägypten diverse Sexualpraktiken recht plakativ zur Schau stellen, der Mönch Zossima vollführt seine Läuterung mit kraftraubenden Turnübungen. Und: Junge Männer und Frauen aus Alexandrien erfreuen mit sorgfältig einstudierten Aerobic-Einlagen. Die "Stimme" erscheint als androgyne Gottheit, schemenhaft hinter Glas getaucht. Durch das gesamte Mittelschiff zieht sich ein mit Glasperlen übersäter Weg, der auf Höhe des Altars in einen den Himmel symbolisierenden Spiegel mündet.

Der überaus ambitionierten Regie steht eine Komposition vor, die so ziemlich alle esoterischen musikalischen Klischees zitiert. Der Biografie des Komponisten John Taveners entsprechend dringen östliche und fernöstliche Klänge an das Ohr: Extreme Orgelpunkte vermischen sich mit kleinen und übermäßigen Sekundschritten zu einem minimalistisch angehauchten Klangbrei. Ostinati und Wiederholungen tragen weniger zu Intensität als zu sinkender Aufnahmefähigkeit in der Stiftskirche bei.

Umso beeindruckender die Leistung von Berit Barfred Jensen als Maria, die sowohl darstellerisch als auch mit kraftvollem Sopran besticht. Ihr steht Andreas Scheibner als Zossima mit markantem Bassbariton kaum nach, der Wiener Kammerchor agiert als homogener Klangkörper mit erstaunlicher Fitness. Das Instrumentalensemble unter der souveränen Leitung Johannes Wildners kämpft sich mit Konzentration durch die doch monotone Partitur. (Bernhard Bayer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.7.2008)