So unterschiedlich die Programme der Parteien auch sein mögen, in einem sind sich alle Wahlkämpfer einig: Das wichtigste Anliegen der nächsten Regierung muss der Kampf gegen die Teuerung sein.

 

Was vordergründig gut klingt, wird rasch zur gefährlichen Drohung. Denn fast alles, was Politiker unternehmen, um die Folgen hoher Preise kurzfristig zu lindern, richtet langfristig wirtschaftlichen Schaden an.

An sich wäre der zuletzt registrierte Preisanstieg von 3,7 Prozent im Jahresvergleich noch kein Grund zur Panik. Bis in die Neunzigerjahre kannten auch Österreicher viel höhere Inflationsraten. Und selbst wenn Lebensmittel und Treibstoff heute teurer sind denn je - früher gab der Durchschnittsverbraucher einen größeren Anteil des Einkommens für Essen und Autofahren aus als jetzt.

Die jüngsten Teuerungsraten über drei Prozent werden aber vor allem deshalb so schmerzhaft empfunden, weil man nach 15 Jahren Preisstabilität, an der auch die Euro-Einführung nicht gerüttelt hat, dies nicht mehr gewohnt ist. Da die Löhne (noch) nicht entsprechend steigen, gehen Kaufkraft und Realeinkomen verloren.

Aber was kann die Politik dagegen tun? Am besten nichts. Ein einmaliger Preisschub, der von den Weltmärkten ausgeht, verpufft nach einiger Zeit. Selbst wenn Öl und Lebensmittel teuer bleiben, wie es Experten voraussagen, geht die Inflation zurück, sobald diese Preise nicht weiter anziehen.

Außer, es kommt zu einer Lohn-Preis-Spirale: Wenn sich die Gehälter an die Inflation anpassen, dann erhöhen die Unternehmen ihre Preise - und die Gewerkschaften ihre Lohnforderungen. Dann wird die Inflation chronisch. Was aus Sicht der Arbeitnehmer nur gerecht und selbstverständlich ist, ist Gift für die Volkswirtschaft - und damit letztlich für alle.

Kein Politiker wird öffentlich für Reallohnverluste eintreten, aber zumindest sollte nicht die Europäische Zentralbank dafür geprügelt werden, wenn sie ihren Job macht und gegen die drohende Inflationspsychologie frühzeitig mit Zinserhöhungen vorgeht. Natürlich schwächt die EZB damit die Konjunktur, aber anders lässt sich Inflation nicht in den Griff bekommen.

Auch andere Mittel zur Teuerungsbekämpfung sind entweder kontraproduktiv oder schmerzhaft. Preisregulierungen jeder Art führen zu Knappheit oder Schwarzmarktpreisen. Wer die Steuern auf Treibstoff und andere Massengüter senkt, verteilt mit der Gießkanne wertvolle Budgetmittel, die dann anderswo fehlen, wo der Staat weitaus mehr bewirken könnte - etwa im Bildungswesen oder bei der direkten Armutsbekämpfung.

Die beste Chance, niedrigere Preise durchzusetzen, ist die Förderung des Wettbewerbs. Aber auch hier obsiegt oft der Populismus über die ökonomische Vernunft. Wenn die heimische Wettbewerbsbehörde aus Personalmangel zahlreiche Kartelle gewähren lässt, dann aber in Faymann-Manier der Krone eine Studie steckt, wonach Ölkonzerne die Spritpreise schneller anheben als senken - ein Schaden von 33 Millionen Euro bei vier Millionen Autofahrern -, dann ist dies bloß eine gehobene Form des Schwarzen-Peter-Spiels. Im Vergleich zur Stromwirtschaft, wo die Versorger zugunsten der Landesbudgets Quasi-Monopole betreiben, sind die Mineralölfirmen Champions des freien Marktes. Echte Wettbewerbspolitik tut weh, gerade auch kleinen Anbietern in geschützten Märkten. Auch sie ist daher kein gutes Wahlkampfthema.

Die größte Glaubwürdigkeit bei der Teuerung hat daher jene Partei, die zu diesem Problem am wenigsten sagt. So schwer dies angesichts der vielzitierten Sorgen der kleinen Leute auch fallen mag - für angehende Staatsmänner ist dies die wahre antipopulistische Reifeprüfung. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.7.2008)