FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache denkt bereits an Höheres: „Warum nicht Kanzler?“

Foto: Corn

Standard: Sie wollen neuerdings mitregieren. Glauben Sie, dass der Präsident Sie angeloben würde?

Strache: Alles andere wäre ein politischer Putsch. Es steht einem Bundespräsidenten nicht zu, einen Abgeordneten, der direkt vom Volk gewählt wurde, aus parteipolitischen Motiven abzulehnen.

Standard: Wieso? Thomas Klestil hat einst zwei FPÖler wegen seiner Bedenken von der Liste gestrichen ...

Strache: ... und das war ein einmaliger Vorgang, den wir auch heftig kritisiert haben.

Standard: Sie wollen selbst Vizekanzler werden?

Strache: Warum nicht Kanzler? Die Menschen haben die Schnauze voll. Sie ballen die Faust im Hosensack. Sie haben genug von den Proporzparteien, die nur mehr das Elend in diesem Land verwalten. Ich halte es für möglich, dass es ab 28. September drei mittelgroße Parteien gibt. Und hierzulande sind auch schon Drittplatzierte Kanzler geworden, nicht?

Standard: Welche Personen halten Sie für ministrabel?

Strache: Wir haben tolle Persönlichkeiten. Es gibt eine Barbara Rosenkranz, die als Familienministerin hervorragende Arbeit machen würde. Als zehnfache Mutter kennt sie die Sorgen der Frauen. Harald Vilimsky wäre ein guter Infrastrukturminister. Und ich würde im Innenministerium dafür sorgen, dass der Asylmissbrauch abgestellt wird ...

Standard: ... und Sie wollen nur mehr zwei Sozialversicherungen, eine für In-, eine für Ausländer. Worin unterscheiden die sich dann?

Strache: Um den Sozialstaat zu retten, sagen wir: Wenn es um Sonderrechte geht, dann bitte nur für die Österreicher. Viele Menschen, die zu uns gekommen sind, arbeiten nur kurzfristig und liegen uns auf der Tasche. Zuwanderer haben ab dem ersten Tag Anspruch auf medizinische Sonderleistungen – auch das gehört abgestellt.

Standard: Welche denn?

Strache: Wenn es um eine künstliche Hüfte geht oder um Zahnprothesen – das soll der Nichtstaatsbürger selbst zahlen.

Standard: Ausländer, die einzahlen, sollen keine Prothesen mehr bezahlt bekommen?

Strache: Das dänische Modell ist genauso angelegt. Wenn die Zähne schmerzen, gehört das behandelt. Kein Problem. Es geht um ein Hüftgelenk oder auch einen Hörapparat. Man kann nicht von unserem System profitieren, das seit Generationen aufgebaut worden ist.

Standard: Nach wie vielen Generationen bekommen Zuwanderer dann alle Leistungen?

Strache: Wenn einer zehn Jahre hier im Land gelebt hat, dann soll er die Staatsbürgerschaft erhalten können – und damit alle Rechte. Eine Gastarbeiterversicherung, wie wir sie wollen, stellt sicher, dass die Leute auf Basis ihrer Leistungen Ansprüche haben.

Standard: Das klingt nach einer Art Apartheidpolitik.

Strache: Entschuldigung, aber von Staatsbürgern werden Pflichten eingefordert, aber Nichtstaatsbürger haben die gleichen Rechte? Jeder Mensch, der zuwandert, soll auch einmal etwas leisten. Die SPÖ arbeitet ja nach dem Motto: „Willst du eine soziale Wohnung haben, musst du nur ein Kopftuch tragen.“

Standard: Apropos Kopftuch: Ist ein Verbot für Sie Koalitionsbedingung?

Strache: Was ich will, ist, was auch in der Türkei in der Verfassung steht: An unseren Schulen, Universitäten und im öffentlichen Dienst darf kein Kopftuch getragen werden. Ich kann ja als Beamter, nur weil es lustig ist, auch keinen Steirerhut aufsetzen. Ob jemand privat ein Kopftuch trägt, sei freigestellt.

Standard: SPÖ und ÖVP schließen eine Koalition mit Ihnen aus. Sie stecken in einem Dilemma: Solange sich Ihre FPÖ nicht ändert, gibt es wahrscheinlich weiterhin die große Koalition.

Strache: Ja, Werner Faymann setzt die Vranitzky-Ausgrenzungsdoktrin fort, und Wilhelm Molterer ist auch nicht bereit, eine Kursänderung vorzunehmen. Wir haben es hier mit zwei Politikern zu tun, die ihre Regierungsunfähigkeit bewiesen haben. Diese Herrschaften glauben, sie können so weitertun wie bisher. Aber die Wähler wissen, dass sie am 28. September ein politisches Erdbeben im positiven Sinne auslösen können.

Standard: Wie sieht es hinter den Kulissen aus? Sind seit dem Koalitionsbruch Emissäre auf Sie zugekommen?

Strache: Zurzeit wird noch das gelebt, was diese Herrschaften kundgetan haben. Aber den Aussagen dieser beiden Parteien kann man kein Vertrauen mehr entgegenbringen. Ich bin mir sicher, dass am Tag nach der Wahl Molterer wie Faymann bei mir an der Tür stehen und einen Termin haben wollen.

Standard: Und wer kriegt als Erster einen Termin?

Strache: Ich rede mit jedem. Aber ich werde meine Grundsätze vertreten.

Standard: Die Großparteien stoßen sich auch an Ihrer Europa-Politik. Sind Sie nun für einen Austritt – ja oder nein?

Strache: Schauen Sie: Wir stehen zu Österreich, wir sind Teil Europas. Aber jetzt nimmt das Projekt EU eine gefährliche Entwicklung: Man plant eine Union, in der man die Türkei und in weiterer Folge Marokko, Algerien und Israel aufnehmen will, wodurch wir in den Nahostkonflikt hineingezogen werden. Wir wollen keine EU, die eine billige Kopie der Vereinigten Staaten von Amerika ist.

Standard: Noch einmal: 2007 kündigten Sie an, den Austritt ins Parteiprogramm reinzuschreiben, das nun fertiggestellt werden soll. Wie sieht es damit aus?

Strache: Fakt ist: Wir wollen die EU verändern, dafür haben wir die Mehrheit der Bevölkerung auf unserer Seite. Wenn wir aber draufkommen, dass das nicht geht, dann darf ein Austritt kein Tabu sein.

Standard: Sie haben erklärt, Sie wollen über den EU-Vertrag abstimmen, damit Österreich „nicht wie 1938 seine Freiheit verliert“. Was sollte dieser Vergleich?

Strache: Ich habe diesen Vertrag auch mit den Metternich’schen Zeiten verglichen. Wenn schon, zählen Sie alle Vergleiche auf.

Standard: Trotzdem: Sie strapazierten damit Assoziationen zum Anschlussjahr.

Strache: Bitte, wir befinden uns im Gedenkjahr, wo zu Recht Regierungspolitiker darauf hingewiesen haben, welche unglaubliche Entwicklung das genommen hat. Damals hat kein einziger österreichischer Politiker an Österreich geglaubt. Und genau das erlebe ich auch heute: Jeder Politiker von Rot und Schwarz sagt, wir sind gar nicht lebensfähig als kleines Österreich. Darum bräuchten wir dieses große, globalisierte Gerüst der Europäischen Union, das uns entrechtet. Aber ich glaube an die Lebensfähigkeit von Österreich. (DER STANDARD Printausgabe, 14.7.2008)