Max Müller: "Die Nostalgie ist auch nicht mehr das was sie früher einmal war"
Angelika Köhlermann 2008,
Vertrieb: Hoanzl (Österreich), Broken Silence (Deutschland)

"Die Nostalgie ist auch nicht mehr das was sie einmal war" betitelt Max Müller sein neues Solo-Album. Darunter fallen 16 Songminiaturen, die von großen ausdifferenzierten Popsongs (Strophe, Refrain, Strophe) bis zu hingeklecksten Sound- und Vokalexperimenten reichen.

Mit Erklärungen derartiger Titel-Monströsitäten hält sich jemand, der so gekonnt mit sprachlichen Konventionen spielt, aber nicht auf. Schließlich reiht er sich ein in Müllers Talent für sperrige Werktitel: "Ich schäme mich Gedanken zu haben, die andere Menschen in ihrer Würde verletzen", hieß etwa die erste Platte seiner Rockband "Mutter" aus 1989, die überzeugend zusammengestellte "Best of" selbiger Formation ist unter dem Titel "Das ganze Spektrum des Nichts" erhältlich.

"Wir waren niemals hier"

Als ewiger Geheimtipp der deutschen Diskurs-Rock-Szene ist "Mutter" bereits in die deutsche Musikgeschichte eingegangen. Ein ganzer Dokumentarfilm, "Wir waren niemals hier" (Gundula Ganz, 2005) handelt von einer Band, die in post-punkiger Verweigerung zu künstlerischer Blüte treibt und darin - sehr zum Leidwesen von Management und Freundeskreis – erstarrt.

Nun, "Mutter" ist glücklicherweise und trotz schwieriger Zeiten nicht tot. Derzeit wird gerade an einem neuen Album gearbeitet. Das Solo-Werk von Max Müller knüpft außerdem an "Mutter" an, etwa im schrankenlosen Spiel mit musikalischen Formen, dem Nebeneinander von Lo-Fi und ausgetüfteltem Arrangement und der bestechenden Korrespondenz von gesanglichem Ausdruck, Text und musikalischer Gestaltung.

Große Themen

Darin müssen sich alle seiner oft unpopulären Themen (islamistische Selbstmordattentäter, Sozialneid, Emanzipation, usw.) ergeben: etwa, um in tragischer Schwere zu zergehen ("Die Welt hasst euch", "Gürtelschnalle") oder aber musikalisch-uplifting in einer grässlichen Utopie zu verpuffen ("Frauenkriege"). Zwischen all der Abgeklärtheit und dem Hass auf die Verhältnisse wirkt das spontane Liebeslied "Zwei" erfrischenderweise wie die glaubwürdigste Variante des Genres.

Um das Etikett "politisch" hat sich Max Müller nie viel gekümmert. Dabei sind seine Songs es im besten Popsinn, weil sie die großen Themen in der eigenen Erfahrungswelt einbauen und umgekehrt. Der HöherIn bleibt somit der vorgefertigte Slogan erspart und zudem das Marketing für die eigene politische Position. Das Hören von "Die Nostalgie ist auch nicht mehr das was sie früher einmal war" eint mit Sicherheit nicht die Zivilgesellschaft zum Sturm auf die Barrikaden, bereichert die Neigungsgruppe aber um ein paar furchtlose Positionen. (freu)