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Auch wenn der Ausbau des Wiener Flughafens wirtschaftliche Vorteile bringt: Anrainer lehnen ihn ab. Fluglärm treibt geplagte Bürger sogar zum Verfassungsgericht

Foto: REUTERS/Arko Datta

Die Wirtschaftkammer fordert wegen der Konkurrenz im Osten einen raschen Ausbau des Wiener Flughafens. Fluglärm-Gegner und Experten sind sich einig: eine 3. Landepiste ist nicht notwendig - von Marijana Miljkoviæ

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Wien – Der Wiener Wirtschaftskammer kann es nicht schnell genug gehen. Die 3. Piste des Flughafens Wien-Schwechat und der Flughafen selbst müssten so rasch wie möglich ausgebaut werden. Sonst seien "Headquarter von Großkonzernen, internationalen Organisationen und Forschungseinrichtungen ohne Direktverbindung zu allen Metropolen der Welt nicht in Wien zu halten", sagte Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank am Dienstagabend. Internationale Erreichbarkeit sei ein Kriterium bei Standortentscheidungen für Neuansiedlungen, zitiert Jank das Ergebnis einer deutschen Studie. Es gelte also, Konkurrenten – vor allem den östlichen Nachbarländern – zuvorzukommen. In Prag und in Budapest werden die Flughäfen ebenfalls ausgebaut.

Lärmgeplagte Anrainer

Derzeit wird auf dem Wiener Flughafen der "Skylink", ein Terminal mit 17 Andockpositionen, gebaut. Der Plan zum Ausbau der 3. Landepiste liegt in den Gemeinden um den Flughafen, der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung und beim Amt der NÖ Landesregierung auf. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, bis Ende des Monats Stellungnahmen dazu abzugeben. Im August startet die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Ein positiver UVP-Bescheid würde die Bauerlaubnis für die 3. Piste bedeuten. Mit einem Ergebnis rechnet man erst 2009. Die Piste, Kostenpunkt 600 Millionen Euro, könnte frühestens 2012 fertig sein. Ob es zum Bau kommt, ist fraglich.

Der Protest der geplagten Anrainer, die durch den Ausbau noch mehr Lärm und dadurch Einbußen ihrer Lebensqualität befürchten, hat sogar den Verfassungsgerichtshof erreicht: Eine Niederösterreicherin führt mit Unterstützung der "Antifluglärmgemeinschaft" (AFLG), einer Vereinigung von Bürgerinitiativen in Niederösterreich, Wien und Burgenland, einen Musterprozess gegen die Republik: Sie hat Klage eingereicht, weil ihr Grundstück in Zwölfaxing unweit des Flughafens wegen des angestiegenen Flugverkehrs um 25 Prozent entwertet wurde. Dazu fordert sie Schadenersatz für etwaige durch Fluglärm bedingte Gesundheitsschäden.

Pisten-Engpass

Der steigende Flugverkehr ist neben den wirtschaftlichen Überlegungen der Grund, warum eine 3. Piste gebaut werden soll. Denn wurden 2000 noch 11,8 Millionen Passagiere abgefertigt, waren es 2007 schon 18,8 Millionen. Die Prognosen für 2020: 23 Millionen Passagiere. Die Kapazität der zwei Pisten könne nicht voll ausgeschöpft werden, weil sie nicht parallel gebaut wurden, heißt es seitens des Flughafens. Deswegen brauche man die 3. Piste. Die Prognose für 2020 mit der zusätzlichen Landebahn: 33 Millionen Passagiere jährlich.

Wissenschafter der TU Wien haben sich so manches Pisten-Szenario durch den Kopf gehen lassen. Thomas Macoun vom Institut für Verkehrsplanung findet: "Es macht keinen Sinn, die 3. Piste zu bauen". Durch die wirtschaftlichen Probleme und die steigenden Energiepreise werde der Flugverkehr keinen Boom erleben, sagt Macoun. Mit der zusätzlichen Piste würde man die Kapazitäten vom Flughafen Heathrow erreichen: 460.000 Flüge pro Jahr. Diese Größenordnung sei nicht notwendig.

Die Diagnose, dass die Piste nicht notwendig sei, dürfte Balsam in den Ohren von Martin Tögel von der Bürgerinitiative "Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3. Piste" sein. Zu Janks Argumenten sagt er: "Das muss mir erst jemand beweisen, dass es eine Korrelation zwischen Flughafen und Wirtschaftswachstum gibt. Wirtschaftliche Vorteile haben durch die 3. Piste nur die Baufirmen, die sie bauen". Zeichen von Lebensqualität sei nicht, einen Airport zu haben, der 50 osteuropäische Städte anfliege, sondern Erholung, findet Stöger.

Um Fluglärmbelastung und -belästigung geht es auch im Dialogforum des Flughafens, das aus dem Mediationsverfahren zur 3. Piste hervorgegangen ist. Dort beraten die Parteien – Flughafen, Gemeindevertreter, Bürgerinitiativen – Lärmschutzmaßnahmen. Bisher wurde ein Nachtflugverbot und Flugrouten über weniger besiedeltem Gebiet erwirkt. Wolfgang Hesina vom Dialogforum hat noch einen Plan: Lärmabhängige Landegebühren für laute Flugzeuge. (Marijana Miljkoviæ/DER STANDARD Printausgabe 10.7.2008)