Augenoperationen, die durch Fehlstellungen notwendig werden, sind mit Grid-Computing leichter planbar.

Illustration: DER STANDARD/Fatih
Grid-Computing, die Vernetzung von Rechnern, um eine mit Supercomputern vergleichbare Leistung zu erzielen, wird auch in der Medizin und in der Pharmaforschung eingesetzt - um Augenoperationen genauer zu planen und Impfstoffe zu entwickeln.

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Not macht erfinderisch. Das gilt auch im Falle der Computer-Grids, die sich mittlerweile vor allem im Forschungsbereich über die ganze Welt spannen. Egal ob Astronomie, Klimaforschung, Materialwissenschaft, Medizin, Meteorologie, Molekularbiologie, Teilchenphysik oder Theoretische Chemie, die Forschung setzt immer mehr auf starke, vernetzte Rechenkapazitäten, was relativ kostengünstig ist im Vergleich zu Supercomputern.

Auch in Österreich sind Computer-Grids ein großes Forschungsthema: Ziel ist, hochkomplexe, umfangreiche Berechnungen durchzuführen. Unter der Leitung der Universität Linz wurde mit dem vom Wissenschaftsministerium finanzierten Austrian Grid im Jahr 2005 eines der größten und leistungsstärksten Grid-Computing-Systeme Europas in Betrieb genommen. Das System hat jeweils einen Knoten in Linz, Salzburg und Innsbruck, beteiligt sind große Universitäten wie jene in Wien. Austrian Grid ist auch Bestandteil eines EU-Großprojekts: "Enabling Grids for E-sciencE" (EGEE) ist vor wenigen Wochen in die dritte Phase gestartet.

"Es geht uns darum, global verteile Rechenressourcen effizient nutzen zu können", erklärt Rüdiger Berlich, Grid-Experte am Institut für Wissenschaftliches Rechnen des Forschungszentrum Karlsruhe. Mittlerweile sind 250 Standorte am Projekt beteiligt, die über 60.000 CPUs (Prozessoren) und mehr als 20 Petabyte Speicherplatz (ein Petabyte sind rund eine Million Gigabyte) in das Grid-Computing-Projekt einbringen.

Gerade im Bereich der medizinischen Forschung wird immer mehr Rechenleistung benötigt und auf Austrian Grid oder EGEE zurück gegriffen. Ein Beispiel dafür ist die Optimierung der Planung von Augenoperationen im Projekt "See Kid", woran seit mittlerweile 14 Jahren gearbeitet wird. Seit Anfang April dieses Jahres wird das Projekt in der Risc Software GmbH, einem Unternehmen der Linzer Johannes Kepler Universität in Kooperation mit dem Research Institute of Symbolic Computation (Risc), fortgeführt.

Viele Experimente

"Damit man die Korrektur von Fehlstellungen wie Strabismus (Schielen) simulieren kann, muss der Arzt viel probieren und experimentieren", sagt Thomas Kaltofen, Projektmitarbeiter bei Risc Software. "Dieser Prozess wird teilweise durch mathematische Optimierungsverfahren beschleunigt." Die endgültigen Operationsvorschläge werden dann durch die im Rahmen von See Kid erstellte Software generiert.

Durch die Anbindung an das Austrian Grid soll jeder Arzt die aufwändigen Berechnungen und Visualisierungen einer Augenoperation im Vorfeld einfach und schnell von seinem PC aus vornehmen. "Hätte ein Arzt nur limitierte Rechenleistung, so würde es Stunden dauern, bis er zu einem Ergebnis kommt", so Kaltofen.

Durch die Verwendung von Grid-Technologie wird diese Zeit entsprechend verkürzt. Seit heuer wird das System nun in einigen Kliniken und Ausbildungsinstitutionen unter anderem in Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Wien und Wiener Neustadt erfolgreich eingesetzt.

Kalkofen: "Man sieht, dass gerade im medizinischen Bereich der Gang in die praktische Anwendung meist ein sehr langwieriger und schwieriger ist. Die erfolgreiche Integration von solchen Forschungsergebnissen ist natürlich sehr stark von der Akzeptanz der Ärzte abhängig."

Zur Erstellung von Simulationen und für die Beschleunigung der Berechnungen wurde das Folgeprojekt "See Grid" ins Leben gerufen. Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, die gesammelten Berechnungen von Patienten, "natürlich anonymisiert", wie Kaltofen betont, und die gewonnenen Simulationen in einer Datenbank zu sammeln. Bereits erfolgte Berechnungen bilden so einen "Erfahrungsschatz", auf den See Kid oder später auch andere Projekte zugreifen können. Eine solche Datenbank kann lokal in Institutionen oder aber auch national oder international eingesetzt werden. Bis dato gibt es einen Prototyp der Datenbank, die im Rahmen einer Diplomarbeit erstellt wurde.

Doch neben der Vorbereitung für Schieloperationen wird das Austrian Grid auch noch für "Immuninformatik" verwendet. Dieser Forschungsbereich wird an der Abteilung Biomedizinische Computersimulation und Bioinformatik an der Medizinischen Universität in Wien gegenwärtig aufgebaut. Hier soll Expertise für die Modellierung und Simulation des Immunsystems entstehen.

Vorhersageinstrument

Auf diese Weise soll die Simulationstechnologie zu einem Vorhersageinstrument bei der Impfstoffentwicklung in Bereichen wie Allergologie oder Immunologie entwickelt werden. Das Projekt wird unter Beteiligung von Chemikern, Physikern, Computerwissenschaftern und Klinikern interdisziplinär in der Arbeitsgemeinschaft Computersimulation geführt.

Der Anteil der Forscher, die auf Grid-Computing zugreifen, wächst laufend. Aber auch neue Ideen entstehen, damit nicht genutzte Rechenkapazitäten eingebunden werden können. Zum Beispiel können Besitzer der Spielkonsole Playstation 3 ein Programm installieren, mit dem das Gerät zum Bestandteil eines medizinischen Forschungsprojekts der amerikanischen Stanford University wird. Wenn die Konsole nicht zum Spielen verwendet wird, stellt sie dann ihre Prozessorleistung für die Analyse komplexer Eiweißstrukturen zur Verfügung und schickt die Ergebnisse über das Internet an die Universität zurück.

Das Stanford-Projekt unter der Leitung von Vijay Pande untersucht die Interaktion von Proteinen bei der Entstehung von Krebs, Alzheimer, Parkinson und anderen Krankheiten. Somit kann jeder Playstation-Besitzer mit Internet-Anschluss in einem Grid der Forschung dienen. (Klaus Lackner/DER STANDARD, Printausgabe, 9.7.2008)