Schon vor dem gestrigen Neuwahl-Beschluss war jedermann klar, dass in der gegenwärtig noch amtierenden Bundesregierung nichts mehr geht. Nun rückt die Stunde der Wahrheit näher. Die große Koalition, so viel scheint bereits jetzt festzustehen, will niemand im Lande neu aufleben lassen. Politisch korrekte Koalitionen mit den Grünen werden sich aufgrund der Midlife-Crisis der in die Jahre gekommenen Öko-Truppe wohl nicht ausgehen. Und mit den Freiheitlichen darf niemand wollen sollen.

Das Einzige, was sich also ausgehen würde, eine Koalition mit den Freiheitlichen, leugnet - zumindest vor den möglichen Neuwahlen - jede der beiden Großparteien tun zu wollen. Und die FPÖ selbst? Strache betont immer wieder, dass er als Demokrat mit allen im Parlament vertretenen Parteien kooperieren könne, wenn dabei die Schwerpunkte freiheitlicher Politik - Einwanderungsstopp, Familientransferleistungen nur für österreichische Staatsbürger, nachträgliche Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon und dergleichen mehr - eine Chance auf Umsetzung hätten. Allerdings wissen politische Beobachter, Vertreter des politischen Establishments wie auch jene der oppositionellen FPÖ, dass diese Einstiegshürden zumindest unter den gegebenen Umständen eigentlich die Unmöglichkeit einer FPÖ-Regierungsbeteiligung bedeuten.

Die Härte dieser freiheitlichen Vorbedingungen dürfte sich nicht nur aus der Einsicht ergeben, dass man sich nach dem Steger/Sinowatz- und dem Haider/Schüssel-Experiment nicht noch ein weiteres Mal allzu billig in eine Regierung hinein verkaufen dürfe. Nein, es ist wohl auch das Wissen, dass man aus rein taktischer Sicht gegenwärtig dafür dankbar sein muss, wenn man nicht in eine Regierung gezwungen werden kann. Warum? Weil die heutige FPÖ eine solche noch viel weniger durchstehen würde als die FPÖ vor acht Jahren unter Haider. Allein schon deshalb, weil der Wiederaufbau der Partei nach der Abspaltung des BZÖ sowie die personelle und sachpolitische Erneuerung längst noch nicht abgeschlossen sind.

Wo aber läge eigentlich eine Alternative zu einer großen Koalition? Wenn, dann allenfalls im sogenannten "dänischen Modell". In Dänemark stützt bekanntlich die "rechtspopulistische" Dänische Volkspartei mit ihren dreizehn Prozent der Wählerstimmen im Parlament eine Mitte-rechts-Regierung der Rechtsliberalen des Premierministers Rasmussen bei der Erstellung des Budgets und gegen Misstrauensanträge der Opposition. Für diese parlamentarische Unterstützung hat sie sich einen sachpolitischen Preis ausbedungen, der im Wesentlichen in der harten Asyl- und Zuwanderungsgesetzgebung besteht. In anderen Fragen, insbesondere in der Europapolitik, wo die Dänische Volkspartei höchst EU-kritisch ist, hat sie sich freie Hand ausbedungen - völlig unabhängig vom Regierungskurs. Mit dieser Politik, die sie nunmehr schon die zweite Legislaturperiode hält, hat die Dänische Volkspartei zwar nicht regiert, sie hat aber das Regieren in Dänemark ermöglicht. Sie ist in wesentlichen Fragen oppositionell geblieben, hat dennoch in vitalen Überlebensfragen des Landes der Politik ihren Stempel aufzudrücken vermocht. Und - sie ist weiter im Wählervertrauen gewachsen, von zehn auf vorläufig dreizehn Prozent.

Es wäre dies ein Modell für die FPÖ, solange sie noch keine Mittelpartei ist und solange sie die dritte Kraft darstellt. Wobei dieses "dänische Modell" der dauerhaften Duldung einer Minderheitsregierung durch Unterstützung im Parlament selbstverständlich auf beide Großparteien anwendbar wäre. Im Gegensatz zur konkreten dänischen Situation in Österreich sogar eher im Hinblick auf die Sozialdemokratie.

Sollte sie es, wie manche politischen Beobachter meinen und wie die Entwicklung der Haider-FPÖ lehrt, irgendwann einmal schaffen, mit SPÖ und ÖVP gleichzuziehen, wäre dieses, "dänische Modell" natürlich hinfällig. Vorläufig aber könnte dieses eine Alternative zu den gegenwärtigen innenpolitischen Sackgassen darstellen. Nach dem Motto: Die FPÖ regiert nicht mit, sie lässt aber regieren und fordert dafür einen hohen Preis zum Wohle des Landes und auch zum Gedeihen der eigenen Gesinnungsgemeinschaft. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2008)