Für einen ordentlichen Parteitag wird der SPÖ die Zeit zu kurz – laut Statut sind dafür zwei Monate vorgesehen. In Wahlzeiten geht das alles viel schneller: Binnen zwei Wochen kann der Parteivorstand einen außerordentlichen Parteitag einberufen, er soll "ehebaldigst" stattfinden, sagte Noch-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Montag.

Auf dem Parteitag soll der Wechsel von Gusenbauer auf den geschäftsführenden Parteivorsitzenden Werner Faymann vollzogen werden – was diesem gleichzeitig eine Bühne für eine inhaltliche Positionierung geben sollte.

Der Parteitag kann nämlich nicht nur die personelle Aufstellung der sozialdemokratischen Spitze verändern (und unter anderem für Gabi Burgstaller als stellvertretende Bundesparteivorsitzende einen Ersatz finden), er kann auch ausführlich über die Inhalte der Politik debattieren. Zu erwarten ist, dass in einem Leitantrag beschlossen wird, was dann als Wahlprogramm propagiert werden soll.

Das Wahlprogramm, das dem neuen Vorsitzenden mit auf den Weg gegeben werden soll, wird voraussichtlich von sozialen Themen geprägt sein – und der Schwenk in der Europapolitik könnte dem Parteitag und den potenziellenWählern als eine "Stärkung direktdemokratischer Elemente" im Rahmen einer "Demokratieoffensive" vermittelt werden.

Damit wäre dann auch die interne Kritik an der Linienänderung und deren Bekanntgabe in einem Brief an Krone-Herausgeber Hans Dichand leicht abzufangen.

Der Parteitag wird allerdings nicht nur solche zukunftsgerichteten Botschaften formulieren müssen – es wird auch einen Bericht des scheidenden Vorsitzenden geben müssen, in dem Kanzler Gusenbauer rechtfertigen muss, warum die Politik der großen Koalition gescheitert ist. Hier geht es nicht nur um die übliche Schuldzuweisung an den Koalitionspartner (mit der Gusenbauer am Montag begonnen hat). Zudem bleibt die Doppelspitze wohl auch über die Wahl hinaus bestehen, weil Faymann wohl nicht vor der Wahl mit einer Regierungsbildung beauftragt wird.

Das ist in der Geschichte nicht ungewöhnlich: 1986 trat Franz Vranitzky als Bundeskanzler an, obwohl der Parteivorsitz noch bei Fred Sinowatz lag. Noch auffälliger war, was beim damaligen Koalitionspartner passierte: Die FPÖ hatte Vizekanzler Norbert Steger auf dem Innsbrucker Parteitag abgewählt – Nachfolger Jörg Haider machte erklärtermaßen Wahlkampf gegen die Politik der Bundesregierung, in der Steger weiter verblieben war. Ähnlich könnte auch Kanzlerkandidat Faymann inhaltlich Abstand zur bisherigen Regierungspolitik suchen. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2008)