Anne Teresa De Keersmaekers Interpretation des Klassikers der Ballett-Moderne, "Prélude à l'après-midi d'un faune".

Foto: Sorgeloos
Das Ballett der Pariser Opéra National und die Truppe des Mariinsky- Kirow-Balletts treffen auf Anne Teresa De Keersmaekers Rosas und die kanadische Compagnie Marie Chouinard. Die große Gala bei ImPulsTanz im Burgtheater zeigt, was Bühnen-"Breitwand" bedeuten kann:

Berühmte Gruppen und Choreografen sowie exzellente Tänzer probieren gemeinsam etwas aus. Fünf Arbeiten, von Angelin Preljocaj, William Forsythe, De Keersmaeker und Chouinard, bilden ein ästhetisches Konstrukt scheinbarer Gegensätze, die insgesamt auf das Ballett und seine Körperstrategien rückbindbar sind. Preljocajs narrative Pas de deux aus dem Stück Le Parc folgen den Spuren der aufklärerischen Vorstellung von galanter Liebe.

Mit De Keersmaekers Interpretation des Prélude à l'après-midi d'un faune und Chouinards Version von Le Sacre du printemps werden Schlüsselwerke der berühmten Ballets Russes in die Gegenwart zitiert. Mit der legendären Truppe unter Serge Diaghilew begann der Weg des Balletts in die Aufklärung des Modernismus.

Bewegungen des Systems

Der Impresario war ab 1909 mit einigen der besten Tänzer des Mariinsky-Theaters im Westen unterwegs. Weil der Tanz im 20. Jahrhundert keine lineare Geschichtsschreibung zulässt, sondern ein fluktuatives Feld der Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem ausgebildet hat, werden William Forsythes Beiträge zu Angelpunkten der Gala. Denn in Steptext, das von Mariinsky-Kirow-Tänzern performt wird, geht es um die Reflexion von Theaterstrukturen und um die Fata Morganen des Narrativen. Und das ist Stoff der Gegenwart: Mit den Körpern der Tänzer bewegt sich das Kunstsystem.

Forsythes Approximate Sonata , erarbeitet mit und getanzt von Antony Rizzi und Leslie Heylmann, zeigt schließlich, wie der Choreograf und seine Tänzer an der Dekonstruktion der neoklassischen Bewegungsformeln gearbeitet haben - Forsythe repräsentiert die jüngste Phase der Aufklärung im Ballett. Der so geschaffene Kontext ist spannend: Zwischen Erzählung und Dekonstruktion, Revolution und Reaktion spiegeln sich darin einige der wichtigsten Dynamiken der jüngeren Ballettgeschichte. (Helmut Ploebst, SPEZIAL/DER STANDARD/Printausgabe, 08.07.2008)