Johanna Ettl, stellvertretende Direktorin der Wiener Arbeiterkammer.

Foto: DER STANDARD/AK WIEN
Es zähle primär, was jemand kann, "und nicht, wie er es gelernt hat", sagt Johanna Ettl, stellvertretende Direktorin der Wiener Arbeiterkammer. Die Orientierung an Lernergebnissen statt nur an Abschlüssen könnte die "Bildungssituation in Österreich grundlegend ändern".

Der vom Bildungs- und dem Wissenschaftsministerium geplante "Nationale Qualifikationsrahmen" (NQR) - angelehnt an den "Europäischen Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen" - zielt darauf ab. Am 30. Juni ging die Begutachtungsfrist eines Konsultationspapiers zu Ende, das die "Stellungnahmen aller Betroffenen" einforderte.

Den Kern des Experten-Entwurfs bilden "acht Referenzniveaus, die das gesamte Spektrum möglicher Qualifikationen von der Basisbildung bis zur höchsten Ebene akademischer und beruflicher Bildung umfassen".

Die zu berücksichtigenden Lernergebnisse resultieren aus drei Lernformen:

  • Formales Lernen findet "üblicherweise in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung" statt und führt zu einer Zertifizierung.

  • Nicht formales Lernen erfolgt abseits dieser Institutionen; keine Zertifizierung.

  • Informelles Lernen findet "im Alltag, am Arbeitsplatz" statt. Es "kann zielgerichtet sein, ist jedoch in den meisten Fällen nicht intentional".

    Zugleich wird eine Qualifikationstypologie eingeführt, die sich auf institutionelle und rechtliche Fakten bezieht: Typ I umfasst die öffentliche Bildung (z. B. Hauptschul-, Lehr- oder Hochschulabschluss), Typ II die gesetzlich geregelte nichtöffentliche Bildung (z. B. Beamtenaufstiegsprüfung) und Typ III die gesetzlich nichtgeregelte nichtöffentliche Bildung (z. B. innerbetriebliche Ausbildungen zum Filialleiter).

    Den acht Niveaus liegt das "Prinzip der Gleichwertigkeit, aber nicht Gleichartigkeit von Qualifikationen" zugrunde. Das soll laut AK-Stellungnahme den Vergleich von Abschlüssen erleichtern und die Durchlässigkeit erhöhen.

    Die AK geht mit dem Entwurf sehr weit konform, fordert aber auch Korrekturen: Sind die Ministerien unsicher über die Einstufung des Polytechnikums, so stellt die AK diesen Abschluss eine Stufe über den Hauptschulabschluss, auf Niveau zwei. Setzt der Entwurf die Berufsreifeprüfung zwischen den Lehrabschluss und die AHS-Matura - die hier eine Stufe unter der BHS-Variante steht -, so reiht die AK jede Reifeprüfung auf Niveau fünf.

    Könnte der Bachelor mit der Meisterprüfung und dem Ingenieurtitel auf Ebene sechs stehen? Nach Ettls Ansicht darf Letzterer nicht höher als die Matura bewertet werden: "Man kriegt ihn ja automatisch."

    Stufe sieben und acht bleiben laut AK dem Master bzw. dem Ph. D. vorbehalten. Berufsprüfungen wie jene der Steuerberater oder der Wirtschaftsprüfer finden hier - entgegen dem Expertenvorschlag - keinen Platz. (mad/DER STANDARD, Printausgabe, 5./6. Juli 2008)