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Betonmauer an der Grenze der spanischen Enklave Ceuta zu Marokko: Die Asylanträge in der EU gehen seit fünf Jahren deutlich zurück.

Foto: Reuters/Rafael Marchante
Grafik: Standard
Brüssel - Für 11,4 Millionen Flüchtlinge war das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 2007 weltweit zuständig, um 2,5 Millionen mehr als im Jahr davor. Entgegen diesem Trend sinken die Asylanträge in der EU seit fünf Jahren. 2006 - aktuellere Daten liegen noch nicht vor - gab es in den 27 Mitgliedstaaten zusammen rund 192.000 Asylanträge, 15 Prozent weniger als im Jahr davor und fast 70 Prozent weniger als 1992, auf dem Höhepunkt des Jugoslawienkonflikts.

In Frankreich, Slowenien und Österreich war der Rückgang der Asylanträge besonders deutlich. Gab es 2003 in Österreich pro 1000 Einwohner noch vier Asylanträge, waren es 2006 nur noch 1,6 Anträge von Asylsuchenden.

Der Anstieg der Flüchtlingströme aus Nordafrika hat in den Statistiken bis 2006 noch keine nachhaltigen Spuren hinterlassen: Die Asylanträge in Italien blieben mit 0,2 pro 1000 Einwohner ebenso unverändert wie in Spanien, in Griechenland verzeichneten die Behörden einen leichten Anstieg.

Die französische EU-Präsidentschaft will in einem "Pakt zur Einwanderung" die deutlich unterschiedliche Behandlung der Asylanträge in den einzelnen EU-Staaten vereinheitlichen und verbindliche Regeln für die Behandlung illegaler wie legaler Migranten finden. Während 2006 in Österreich fast 70 Prozent aller Asylwerber aus Tschetschenien Asyl bekamen, lehnte die Slowakei alle Fälle ausnahmslos ab; in Slowenien bekamen nicht einmal zehn Prozent Schutz zugesprochen.

Frankreich wird heute, Montag, beim informellen Rat der Innen- und Justizminister ein achtseitiges Dokument vorlegen, dass gemeinsame Grundsätze festhalten soll. Grundtenor: Asyl und Aufenthaltsgenehmigungen sollen in der EU selektiver vergeben werden. Ursprünglich wollte die Präsidentschaft durchsetzen, dass umfangreiche Legalisierungen von illegalen Einwanderern, wie dies Spanien machte, verboten werden. Und auch Asylsuchende ohne gültige Dokumente sollten kein Recht auf ein Asylverfahren bekommen. Spanien wandte sich wie auch das UNO-Flüchtlingshochkommissariat massiv gegen diese Pläne.

Tauziehen Madrid - Paris

Frankreich und Spanien handelten nach langem Tauziehen nun einen gemeinsamen Entwurf aus. Die spanische Vizeregierungschefin María Teresa Fernández de la Vega sagte dazu in Madrid, das von Spanien abgelehnte pauschale Eingliederungsverbot für Immigranten sei nicht mehr in dem Dokument enthalten. Die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero hatte im Jahr 2005 rund 700.000 illegal in Spanien lebenden Einwanderern Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Voraussetzung war der Nachweis einer festen Arbeitsstelle. Den Rahmen für die französischen Pläne bildet auch die vom EU-Parlament bereits verabschiedete Immigrationsrichtlinie, die eine maximale Schubhaft von sechs bis 18 Monaten und ein Wiedereinreiseverbot für fünf Jahre vorsieht. Besonders letztere Bestimmung wurde vom UNHCR heftig kritisiert, da sie nicht berücksichtige, dass sich in dieser Zeit die Lebensumstände eines Abgewiesenen dramatisch ändern könnten.

Neben der Behandlung der Asylanträge ist auch der Schutz der Meeresgrenzen der EU Thema des französischen Papiers. Die EU-Grenzbehörde Frontex soll massiv aufgewertet werden, um Flüchtlinge bereits auf dem Meer abzufangen und in ihr Heimatland zurückzuleiten.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl meinte, "für Menschen auf der Flucht sind Europas Außengrenzen zum Massengrab geworden". Die Zahlen sprächen eine klare Sprache: "8114 Tote in Mittelmeer und Atlantik, 2486 im Kanal von Sizilien, 3986 zwischen Nordafrika und Spanien, in der Enge von Gibraltar und bei den Kanaren, 885 in der Ägäis seit 1988".

Neu belebt werden soll das Projekt der "Blue Card". Angelehnt an die "Green Card" der USA sollen hochqualifizierte Einwanderer begrenzte Arbeitserlaubnis in der gesamten EU bekommen. Gegen diesen Vorschlag von Ex-Justizkommissar Franco Frattini gab es - vor allem aus Österreich und Deutschland - heftigen Widerstand, da er als Eingriff in die nationalen Rechte gesehen wurde. Frankreich sieht aber eine "Blue Card", die nur auf ein Land begrenzt ist, als zu wenig attraktiv an, um Spitzenkräfte in die EU zu holen. (Michael Moravec, DER STANDARD - Printausgabe, 7. Juli 2008)