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Wien - Einen Tag vor dem Bawag-Urteil wurde Refco-Chef Phillip Bennett zu 16 Jahren Haft verurteilt. Der US-Broker war es, dessen Verhaftung im Oktober 2005 die Bawag-Affäre ins Rollen brachte. Der Anfang vom Ende der Gewerkschaftsbank, die schließlich in die USA verkauft wurde, hatte damit begonnen.

Die US-Ermittler untersuchten damals gerade die Pleite des börsennotierten US-Brokerhauses Refco, an dem die Bawag bis 2004 beteiligt gewesen war. Laut Agentur war man auf Off-Shore-Konten mit 525 Mio. Dollar aus fragwürdigen Quellen gestoßen und vermutete, dass sich die Konten aus wertlosen Anleihen ("fake bonds") speisten. Die wiederum gehörten sechs auf der karibischen Insel Anguilla ansässigen Gesellschaften mit hübschen Namen wie Tuvalu, Tecka oder Chaco City.

Der später bestätigte Verdacht, die Bawag und ihr Liquid Opportunity Fonds habe über diese Gesellschaften wertlose Anleihen bei Refco geparkt, hatte weitreichende Folgen. Die Karibik-Verluste der Bawag und ihre Ultimo-Geschäfte mit Refco flogen ebenso auf wie die Verbindungen des ÖGB zu Refco. Die Folge: milliardenschwere Klagsdrohungen aus den USA, von denen sich die Bawag letztlich mit dem Refco-Vergleich freikaufen musste. Sie zahlte 867 Mio. Dollar. Juristisch aufgearbeitet ist dieses Kapitel, das Teil der Verlustverschleierung der Flöttl-Geschäfte war, noch nicht: Die Staatsanwaltschaft ermittelt, zumal Refco jahrelang Wertbestätigungen für die Junk-Papiere geliefert hatte (siehe Seite 4).

Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Wiener Gewerkschaftsbank und (einst) größtem US-Brokerhaus hat 1998 begonnen - und sollte verhängnisvoll enden.

Ehe mit Refco

Laut Helmut Elsners Aussagen sei der Refco-Kontakt über den damaligen Treasury-Chef der Bawag, Thomas Hackl, zustande gekommen. Der habe berichtet, dass Refco einen Partner in Europa suche, im Sommer 1998 war der gefunden. Elsner vereinbarte mit Refco-Chef Tom Dittmer eine Kooperation; die wurde auf der Weltbank- tagung 1998 bekanntgemacht. Der Bawag-Aufsichtsrat genehmigte die Kooperation im November. Im Frühling darauf wurde aus der Partnerschaft eine Ehe: Die Bawag kaufte sich um 95 Mio. Dollar mit zehn Prozent bei Refco ein (und gab der Refco Group Holding International, RGHI, ein Darlehen von 85 Mio. Dollar ). 2004 stieg die Bawag aus - und kassierte dafür laut US-Gutachten 757 Mio. Dollar.

Ex-Treasurer Hackl übrigens ging im Mai 2002 zu Refco, wo er bis November 2004 Leiter der Vermögensverwaltung war, heute hat er eine Investmentgesellschaft in Genf. Er war der am häufigsten (vier Mal) einvernommen Zeuge im Bawag-Prozess.

Ende 2000 hatte Hackl (die Justiz ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue) rund um den Bilanzstichtag alle Hände voll zu tun. Die Bawag musste die vom Treasury abgewickelten, wertlosen Unibonds (letzte Flöttl-Verlustgeschäfte, 430 Mio. Euro) unterbringen. Hier schließt sich der Kreis zu Refco: "Der Liquid Opportunity Fonds war ein Parkplatz für die Unibonds", so Hackl.

Dass der ÖGB unter Fritz Verzetnitsch über seine Liechtensteinische Desana Privatstiftung mit 27 Prozent an Refco beteiligt war, erfuhren die neuen ÖGB-Funktionäre Ende April 2006 - aus dem Standard. Vier Tage später entließen sie ihren Ex-Präsidenten.

Im Oktober 2005 sprangen die Wiener Banker dem Refco-Gründer Phillip Bennett, der damals wegen verdächtiger Finanzierungen schon schwer unter Druck stand, und Refco noch ein letztes Mal bei. Über Nacht überwiesen sie den "Blitzkredit" von 425 Mio. Euro. Stunden später wurde Bennett in New York verhaftet.

Was in den Jahren davor geschehen ist, lässt sich am besten anhand des US-Gerichtsgutachtens zur Causa Refco-Bennett beschreiben. Die Bawag spielt darin eine Hauptrolle.

Bei Refco wurden demnach seit der Asien-Krise uneinbringliche Kredite hin- und hergeschoben: Refco hatte Verluste ihrer Kunden geschluckt. Rund 6,2 Mrd. Dollar an internen Finanzierungen wurden bis 2005 aufgewendet, um die Verluste zu verstecken. Die Bawag steuerte laut Gutachten bis 2005 rund 1,65 Mrd. Dollar bei, indem sie Refco jeweils zum Bilanzstichtag im Februar kurzfristige Kredite überwies. Solche Ultimo-Geschäfte sind üblich und erlaubt - aber nicht, wenn ihnen keine werthaltigen Positionen gegenüberstehen. Und: Ein Großteil der Mittel für die "Refco-Clean-Ups" (Bawag-interne Bezeichnung) stammte aus Geld, das Refco der Bawag zuvor selbst zur Verfügung gestellt hatte.

Auch den Grund für den Blitzkredit erhellt das Gutachten. Kurz vor der Insolvenz hatten Refco-Manager ein Bilanzloch von umgerechnet 311 Mio. Euro gefunden. Geld, das man von Bennetts RGHI samt Zinsen einforderte. Bennett bezahlte auch - mit Geld aus dem Blitzkredit. Auch der wird die österreichischen Gerichte noch beschäftigen. (gra, DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.7.2008)