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Foto: Reuters/Gentile
Interessant sind Themenwochen, -tage oder -abende: Als üppige TV-Wegstrecken bringen sie das schöne Gefühl, ein Phänomen umfassend nahegebracht zu bekommen. Es gibt auf diesem Gebiet nun auch ganz Mutiges: Papst Benedikt XVI. etwa wird im Herbst lesend vorangehen, um eine Marathonlesung der Bibel im italienischen Fernsehen (RAI) zu eröffnen.

Im Bildungskanal werden sodann vom 5. bis zum 11. Oktober nicht weniger als 1200 Menschen nacheinander vor laufender Kamera die gesamte Heilige Schrift vortragen. Der katholische Chef eröffnet mit dem ersten Buch der Schöpfungsgeschichte, Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone bestreitet das Finale. Das ist als Aktion schlau. Das Integrale, Monströse, es erzeugt Aufmerksamkeit schon allein durch seine Größe. Gute Kondition vorausgesetzt, kann es dem Betrachter jedoch auch inhaltlich durch die kontinuierliche Beanspruchung der Sinne zu einem speziellen Erkenntnis- und Bewusstseinszustand verhelfen. Wer etwa den Ring des Nibelungen in 24 Stunde erlebt hat - ja, das gab es! - weiß, was Ekstase ist.

Deshalb: Unserem alten Wunsch, Politikerinterviews auf epische Länge zwecks Phrasenerschöpfung auszudehnen, fügen wir den Vorschlag hinzu, den Entwurf zur EU-Verfassung in einem TV-Lesemarathon nahezubringen. Was die Kirche kann, sollte die EU auch schaffen. (tos/DER STANDARD; Printausgabe, 5./6.7.2008)