Linguistiker Florian Menz

Foto: Standard/Matthias Cremer

Managementprofessor Heinz K. Stahl

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Ein gängiges Phänomen: Ein Chief Executive Officer stellt sich vor seine Leute und informiert sie – in seiner Sprache. Sie sind verwirrt, verstehen nichts, dösen weg. Was der Chef sagt, kommt nicht an. Warum?

"Weil er sich nicht die Mühe gemacht hat, die Leute zu erreichen, weil er sich nicht zuallererst in die Lebenswelten derer eingefühlt hat, die er erreichen will, und erst danach seine Mitteilung aufgesetzt, formuliert hat", analysiert Heinz Stahl, Managementprofessor und wissenschaftlicher Beirat am Management Center Innsbruck (MCI). Gemeinsam mit dem Linguistik-professor Florian Menz (Uni Wien) hat er ein aktuelles Buch zur Sprache als Ressource ("Handbuch Stakeholderkommunikation", Erich Schmidt Verlag) geschrieben.

Was läuft grundlegend falsch?

Die Menschen hätten ein noch überwiegend Sender-zentriertes Kommunikationsmodell statt eines Empfänger-zentrierten. Dadurch komme nichts an, so komme es "zum Grundphänomen, dass Information nicht verstanden wird."

Für Stahl und Menz berauben sich Manager so einer riesigen Chance "mit einer sehr attraktiven Input-Output-Ratio". Dies sei eines der wenigen Gebiete, wo sich in Unternehmen noch wirklich gewaltig optimieren lasse.

Was ist zu tun?

  • "Die Fehler des ballistischen Entscheidens zu eliminieren", sagt Stahl: Eine getroffene Entscheidung werde dabei wie eine Kanonenkugel in die Organisation geworfen, ohne die Wirkung des Einschlages zu kennen.
  • "Relevanzmanagement betreiben": sich zuerst in die Stakeholder, in die Adressaten, einfühlen und erst dann die Mitteilung aufsetzen.
  • Metaphern wohlüberlegt und konsistent verwenden, diese nicht an aktuelle Hypes – wie etwa eine Fußballeuropameisterschaft – anlehnen. Von Militärmetaphern rät er insgesamt ab: "Wir leben in einer Welt multilateraler Vernetzung, hier hat martialische Sprache nichts mehr verloren."
  • Sprache als Ressource betrachten, ganz so wie einen Vermögensbestandteil des Unternehmens.

Zum Thema der allgegenwärtigen Worthülsen und Gummiworte sind die beiden interprofessionell einig und attestieren eine "Absurdität": Es finde eine Einengung des Sprachschatzes und damit einher- gehend eine immer größere Beliebigkeit statt. Das Ergebnis: Viele Worte seien "unbrauchbar" geworden. Stahl nennt da etwa "Motivation", "Kompetenz", "Vision", "Strategie", "Technologie". Kreiert von Unternehmensberatern, überall "hingeborgt" durch die Werbung, dadurch ihres Inhalts beraubt.

Jeder versteht etwas anderes

So entstehe ein immer enger werdenden "Brei". Eine "Wagheit", eine Beliebigkeit, so Florian Menz. So komme man mit keiner Botschaft durch, jeder verstehe etwas anderes. Und dann? Dann sind die Chefs erstaunt, warum sie nicht verstanden werden und es werde die Devise ausgerufen: Wir müssen mehr informieren. Dies geschehe aber wieder im Bild des falschen senderzentrierten Transportmodelles "in der irrigen Annahme, es würde jetzt klappen", so Menz. Für ihn ist Flexibilität im Wesentlichen "eine kommunikative Tätigkeit". Man müsse sich daran erinnern, dass Sprache Bilder erzeuge, die hochwirksam sein können und sich durch Arbeit "am Begriff" viel erreichen lasse. Wenn diese nicht passiere, sei kaum jemals klar, was gemeint ist.

Wie komplex dieses Etwas Sprache, das doch sowieso jeder beherrscht, ist, zeigen auch die Untersuchungen von Menz. Essenz: In der Ambiguität liege eine Chance, Neues entstehen zu lassen, geht er gegen die irrige Annahme aus, das Allheilmittel für jeden Fall sei spielraumlose Klarheit: "Sprache ist auch vage, das ist auch eine Chance." Das brauche natürlich, konstatiert Menz, eine Fehlertoleranz, eine Unternehmenskultur, die auch zulasse zu sagen: "Das weiß ich nicht, ich muss mich erst erkundigen."

Neue Geschäftsfelder

Warum sich ein Sprachwissenschafter mit einem Managementlehrer – ganz abgesehen von einem spannenden Buchprojekt – zusammentut? Die beiden halten gemeinsam Vorlesungen und sind vermutlich so etwas wie „early adaptors“ eines Trends in Österreich: Unternehmen beginnen sich in der Tiefe die Frage zu stellen, warum ihre Stakeholderkommunikation nach innen und nach außen oft nicht so klappt, wie sie gerne hätten. Einige davon, etwa die Allianz in Deutschland, arbeiten zur Lösung dieses Problems schon mit Linguisten zusammen, holen sie in ihre Unternehmen hinein, beginnen Information, Kommunikation und den gesamten Schriftverkehr nach empfängerzentrierten Ansätzen zu durchleuchten. (Karin Bauer, DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.7.2008)