Oft geht es gar nicht darum, ob Neues sinnvoll ist. Schließlich lebt der Mensch in Gewohnheiten - und wenn die sich ändern, stimmt das Gefüge der Welt nicht mehr. Gerade zu Hause schätzt man das wenig.

Der Wiener, sagen Studien über das "Wiener Wesen", definiert seine Stadt über deren "Öffis". Besonders über die Straßenbahn. Wer da etwas ändern will, hat es schwer: Der Wiener jammert - aber im Zweifel soll alles bleiben, wie es ist. Weil man es gewohnt ist: eine Argumentation in Ringform.

Deshalb spielt es genau gar keine Rolle, aus welchem Grund die Ringlinien nicht weiter im Kreis fahren sollen: Wien ist Walzer. Der führt im Kreis herum. Es gibt keinen Anfang und kein Ende - und alles kommt wieder. Darum passt der Ring zu Wien. Und die Ring-Bim ins Bild. Seit der Monarchie, von der Wiens Tourismus ja bis heute lebt.

Darum ist es müßig, zu erwähnen, dass kein Wiener die Tram zur Umrundung des Ringes nutzte (wozu auch?): Die Maßnahme, erkannte einer der über 300 Poster auf derStandard.at, habe nur einen Sinn: Touristen abzuzocken. Die "Prachtbautenrunde" müssen Besucher nämlich in Zukunft mit Rundfahrtbussen machen. Für Stimmung bei den anderen Verkehrsteilnehmern ist dann wohl auch gesorgt, wenn die Busse im Schritttempo Fiaker überholen.

Den echten Tabubruch haben die Wiener aber noch gar nicht realisiert. Mit der Kreisführung verschwindet ein Wiener Unikum: die "Gewerkschaftspause". Die legten Ringlinienfahrer nach jeder Runde ein - und erklärten Neu- und Nichtwienern auf die Frage, warum denn nichts weitergehe, gerne: "Weil jeder Kreis Zeit braucht, sich zu schließen." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD - Printausgabe, 4. Juli 2008)