Rom/Brüssel/Paris/Madrid - Zur Befreiung der früheren Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt und 14 weiteren Geiseln der linksgerichteten FARC-Rebellen in Kolumbien schreibt die römische Zeitung "Il Messaggero" am Donnerstag:

"Eine brillante Frau, gebildet, tief religiös. Eine Frau, die gegen Korruption und Drogenbosse kämpfte, eine 'Jeanne d'Arc', der mehr als 1.000 Städte in der Welt die Ehrenbürgerschaft angeboten haben. Aber auch eine Frau, die zu selbstsicher war, so eigensinnig, dass sie sogar die Wähler irritierte, die sie zuvor geliebt und bejubelt hatten. Das war die Senatorin und Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt am Tag, als sie von den FARC-Rebellen entführt wurde. (...)

Nachdem sie sie gefangen genommen hatten, wurde sie von Camp zu Camp gebracht, obwohl sich ihr Zustand dramatisch verschlechterte. Aber sie war zu einem Symbol in der Welt geworden, und die Rebellen wollten sie unbedingt als Geisel behalten, um sie als Spielfigur bei künftigen Verhandlungen einzusetzen. Ingrid Betancourt wird nicht mehr die angehende Präsidentin sein, die gegen die Korruption kämpft. Stattdessen ist sie zu einem Symbol geworden. Und Symbole sind häufig mächtiger als Präsidenten."

"De Morgen" (Brüssel):

"Im vergangenen Jahr wurde klar, dass sich Betancourts Gesundheit verschlechtert hatte. Sowohl der französische Präsident Nicolas Sarkozy als auch der venezolanische Präsident Hugo Chavez verhandelten seither mit der FARC. Dass Betancourt letztlich von der Armee befreit wurde und nicht durch Verhandlungen, ist ein großer Sieg für (den kolumbianischen) Präsidenten Alvaro Uribe, der trotz des Drucks der internationalen Gemeinschaft stets daran festgehalten hat, nicht mit der Guerillabewegung verhandeln zu wollen. Deshalb ist die militärische Aktion eine Erfolgsgeschichte für den konservativen Präsidenten, der sich momentan in einem schwierigen politischen Fahrwasser befindet."

"Dernieres Nouvelles d'Alsace" (Straßburg):

"Die Umstände dieser Befreiung mit einem Hubschrauber-Einsatz sind noch nicht klar, und die Version von Bogota klingt sehr nach einem 'James Bond'-Einsatz. Doch man muss zugeben, dass die Strategie von Präsident (Alvaro) Uribe sich ausgezahlt hat. Die kolumbianische Armee hat die FARC-Rebellen ständig bedrängt und hat ihre Forderungen nach einer entmilitarisierten Zone niemals erfüllt. Offensichtlich sind die FARC auch durch den Tod ihres historischen Chefs, des 80-jährigen Manuel Marulanda, desorganisiert worden. Wie dem auch sei, Ingrid Betantcourt ist frei und ihr Bericht wird mit Ungeduld erwartet."

"El Pais" (Madrid):

"Der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe hat mit der Befreiung den größten Erfolg seiner politischen Karriere erzielt. Dies macht ihm, sofern es sein Ziel ist, den Weg für eine dritte Amtszeit frei. Die FARC-Guerilla durchlebt dagegen ihre schwierigsten Stunden. Auch wenn die Zahlen der desertierten Rebellen zu optimistisch sein mögen: Hatten die FARC vor einigen Jahren noch 20.000 Kämpfer, sind es nun nur noch die Hälfte. Die Unterwanderung der FARC durch das Militär, der Einsatz von Hochtechnologie zur Suche der Dschungelcamps dieser Terror-Guerilla, die Spezialeinheiten der Armee und die Belohnungen für Rebellen, die desertieren und ihre Anführer verraten, tragen Früchte."

"La Repubblica" (Rom):

"Die Befreiung der drei Amerikaner und Betancourts ist der jüngste siegreiche Akt im Kampf von (Kolumbiens Präsident Alvaro) Uribe gegen die FARC. Seit am 1. März die Nummer Zwei der Rebellen, Raul Reyes, in seinem Camp in Ecuador bei einem Angriff getötet worden war, hat die FARC nur Niederlagen erlitten. (...) Aber die Aktion gestern schien etwas zu perfekt, irgendetwas stimmt nicht. Hat die Befreiung tatsächlich in den vergangenen Stunden oder schon vor einiger Zeit stattgefunden?

Die Betancourt, die wir aus dem Flugzeug steigen sahen (...), war ganz anders als die völlig erschöpfte Frau im letzten als 'Lebenszeichen' verbreiteten FARC-Video vor wenigen Monaten. Vielleicht waren es die etwas zu großen Militärhosen und die riesige Weste, aber Ingrid wirkte fast etwas dick. Lächelnd und heiter. Aber nicht lächelnd und heiter wie jemand, der gerade erst befreit worden ist und wegen des schnellen Szenenwechsels noch immer etwas durcheinander ist."

"Liberation" (Paris):

"Die französisch-kolumbianische Geisel ist das tragische Symbol des Krieges geworden, das ihr Land zerreißt. (...) Der kolumbianische Präsident Uribe führte einen unerbittlichen Krieg gegen die marxistische Guerilla, die ihre politischen Ziele aufgegeben und sich in eine Bande von Erpressern, Geiselnehmern und Drogendealer verwandelt hat. Dieser Kampf hat dem Präsidenten zum Erfolg verholfen. Er wird in dieser Haltung ohne Wenn und Aber von den Kolumbianern unterstützt. (...) Nach der Befreiung der Geiseln kann Uribe geltend machen, dass er mit seiner harten Gangart Recht hatte, dass es letztlich die Armee war, die die Geiseln herausholte."

"Republicain Lorrain" (Metz):

"Die Befreiung Ingrid Betancourts ist allein dem kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe zu verdanken. Seine unnachgiebige Politik gegenüber der FARC findet heute ihre strahlendste Bestätigung. (...) Uribes Unnachgiebigkeit hat sich ausgezahlt. (...) Der FARC wurde ihr wichtigste Pfand zur Erpressung weggenommen. (Der französische Präsident) Nicolas Sarkozy hat zwar zu diesem glücklichen Ausgang nicht direkt beigetragen. Er kann dennoch hoffen, dass er davon profitiert - zu einem Moment, wo seine Beliebtheit auf einem Tiefpunkt angekommen ist."

"Paris-Normandie" (Rouen):

"Ingrid Betancourt hat ihre Freiheit wiedergewonnen - dies ist die erste gute Nachricht. Ein Wunder, an das wir nicht mehr zu glauben wagten. (...) Die zweite gute Nachricht ist, dass diese Befreiung offenbar nicht das Ergebnis von Gefeilsche war. (...) Und wenn wir den bisher bekannten Informationen trauen können ist die dritte gute Nachricht, dass diese Befreiung nicht das Werk von Hugo Chavez war. Der venezolanische Präsident, der vor einigen Monaten einen Show-Ausflug (zur Rettung der Geiseln) organisiert hatte - gefilmt vom Regisseur Oliver Stone - wird aus der Geiselbefreiung keinen Profit erzielen." (APA/dpa)