Der tatsächliche und mittlerweile von Artnet nachgetragene Weltrekord: Wotrubas "Große liegende Figur" (1953) erzielte 2002 im Kinsky 170.000 Euro netto.

Foto: im Kinsky
Die Realität ist oft eine andere – wie es Arbeiten von Wotruba und Hoffmann zeigen.

Wien – Das Ranking der weltweit zehn besten Auktionsergebnisse von Fritz Wotruba bedarf eventuell schon bald einer Aktualisierung, mutmaßte der Standard noch im Juni. Bisweilen ist die Realität aber näher, als man vermutet. Bereits mit dieser Veröffentlichung wäre eine Korrektur der von Artnet ausgewiesenen zehn höchsten Zuschläge notwendig gewesen. Denn unabhängig von der im Kinsky am 17. Juni versteigerten Werkgruppe gab es große Lücken.

Der amerikanische Mitbewerb Artprice bietet solche Rankings nicht an, Artnet schon. Der vermeintliche Rekord lag netto bei 90.000 Euro, die Hassfurter (Wien) 2005 für die Kalksteinfigur des Sitzenden einspielte. Die Realität liegt fern der Artnet’schen Datensätze, konkret bei 170.000 Euro, die ein Sammler im Kinsky 2002 für die Bronze Großen liegende Figur bewilligte.

Ein solcher Irrtum könnte noch als Flüchtigkeitsfehler durchgehen, aber dabei blieb es nicht. Tatsächlich summierten sich die Lücken in diesem Ranking der zehn höchsten Preise auf stolze fünf, ein weiteres Ergebnis war fälschlich Oswald Oberhuber zugeordnet worden. Der Leidtragende ist in diesem Fall das Auktionshaus im Kinsky.

Die aktualisierte Ranking-Tabelle (siehe oben links) zeigt ein völlig anderes Marktbild. Wotrubas Werke sind nicht, wie die Dominanz der deutschen Ergebnisse vorgaukeln möchten, vor allem in Deutschland gut nachgefragt. Im Gegenteil: Die tatsächlichen Top-Preise werden auf dem heimischen Markt erzielt. Das hat insofern Relevanz, weil Verkäufer nicht selten über solche Kunstpreisdaten entscheiden, wo und bei welchem Auktionsunternehmen sie ihre Kunstwerke am besten und lukrativsten platzieren können. Laut Eigendefinition von Artnet ist man das "weltweit vollständigste mit Bildern versehene Kunstarchiv mit 3,6 Millionen Auktionsergebnissen aus mehr als 500 internationalen Auktionshäusern seit 1985" . Das ist allerdings ein Irrtum.

Bitter stellt sich auch aus österreichischer Sicht die Situation bei Josef Hoffmann dar, jenem Star des österreichischen Jugendstils, der längst international als Bestseller gilt. Die höchsten Zuschläge für seine Entwürfe fährt man jedoch in Österreich ein. Nicht so laut Artnet.

Kolportierte Weltrekorde

Im Dezember 2006 hatte Sotheby’s beispielsweise die Ergebnisliste zu einer in Paris abgehaltenen Auktion publiziert. Von einem neuen Hoffmann-Weltrekord war die Rede, ein Schmuckkästchen hatte für 60.000 Euro den Besitzer gewechselt. Auf damalige Anfrage des Standard versicherte man, laut Artnet sei dies Weltrekord.

Leider ist das falsch, denn der Weltrekord liegt bei 345.000 Euro für einen von Hoffmann für den Stiegenaufgang der Wiener Werkstätte 1903 entworfenen Luster, 2005 im Kinsky erzielt. Eine aktuelle Artnet-Abfrage listet eine Tischlampe Hoffmanns von 1904 als höchsten Preis, versteigert bei Christie’s in New York im November 2007. Tatsächlich ist dieser vermeintliche Rekord aber nur Platz vier. Besonders auffällig ist, dass Ergebnisse vom Dorotheum und vor allem im Kinsky fehlen. Die Liste von Artnet macht auf diese Weise glauben, dass Hoffmann-Objekte bei Christie’s und Sotheby’s höhere Preise erzielen. Das Gegenteil ist der Fall.

Hinter vorgehaltener Hand vermuten manche gezielte Manipulation, andere sehen die Fehler eher in der unglaublichen Größe der zu verarbeitenden Datenmengen begründet. Laut dem Berliner Artnet-Geschäftsführer Thomas Eller ist das Prozedere relativ simpel: Auf Basis der von den Auktionshäusern zur Verfügung gestellten Kataloge werden Datensätze angelegt und nach den Auktionen um die einzelnen Ergebnisse ergänzt. Die Ergebnislisten hole sich Artnet einerseits über die Websites der Unternehmen, manche Auktionshäuser würden diese auch direkt übermitteln.

Die Wotruba-Fehlerstellen kann Eller sich nicht erklären, sie wurden innerhalb von sechs Stunden nach Standard-Nachfrage aktualisiert. Für Hoffmann führt Eller einen anderen Grund an: Dieses Segment angewandter Kunst sei erst im Aufbau begriffen. Warum allerdings Ergebnisse von Christie’s aus 2007 gelistet werden, die deutlich unter den tatsächlichen Kinsky-Weltrekorden liegen, mag für Artnet-Kunden schwer nachvollziehbar sein. Drei Standbeine hat das Unternehmen mit Sitz in Berlin: Die Kunstpreisdatenbank, den von Kunsthändlern zunehmend genutzten Marktplatz (derzeit 2200 Galerien) sowie eine Werbeplattform, begleitet von redaktioneller Berichterstattung.

Den größten Marktanteil hält man in den USA mit 59 Prozent, gefolgt von 34 Prozent in Europa. Die Umsätze verteilen sich auf 20 Prozent durch Werbeeinnahmen und 40 Prozent auf das Galeriennetzwerk. Weitere 40 Prozent steuern vor allem der Geschäftskundenbereich und damit die Auktionshäuser und der Kunsthandel sowie 11.000 Privatkunden bei, als User einer – zumindest aus österreichischer Sicht – unvollständigen Datenbank.

Ein Jahresabonnement bei Artnet kostet zwischen 500 (185 Abfragen) und 2000 (900 Abfragen) Dollar. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.7.2008)