In der Taborstraße stand einst ein Kino, das der Sonnengott beschirmte – seither ist viel Zeit vergangen.

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Mysteriöse Spuren auf Zelluloid: Lampalzer/Oppermann erkunden mit "Die dunkle Wucht" den Tatort Augarten.

Foto: naked cinema
Vor noch nicht einmal hundert Jahren war die Praterstraße so etwas wie der Broadway von Wien. Mitten in der Leopoldstadt – und die war ein Kinobezirk, was man heute kaum mehr glauben kann: Das Taborkino, letztes altes Einsaalkino, sperrte 1996 zu, und selbst das Multiplex in der Lasallestraße hat schon wieder aufgegeben.

An Max Steiner, den nachmaligen Komponisten von Filmmusik in Hollywood, dreifachen Oscar-Gewinner und noch öfter dafür Nominierten (für "Casablanca" unter anderem), erinnert immerhin eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus. Dass ein paar Straßen weiter die Schauspielerin Elisabeth Bergner Jahre ihrer Kindheit verbrachte, bleibt der Nachwelt dagegen verborgen. Ihr Hauslehrer, ein gewisser Jakob Levy Moreno, machte später mit seinem Konzept des Psychodramas Furore. Und neben etlichen weiteren hatten auch Liesl und Bruno Frank, eine bedeutende Anlaufstelle für verfolgte jüdische Filmschaffende, die nur wenig später in den USA den European Film Fund mit ins Leben riefen, im zweiten Bezirk ihre Wiener Wurzeln.

Die geführten Spaziergänge, in denen man dies und mehr erfährt, bieten die Filmhistoriker Brigitte Mayr und Michael Omasta demnächst an, und zwar unter dem Motto "King Kong in der Praterstraße" als eine jener Aktivitäten, die im Rahmen der Reihe "naked cinema" ab 8.Juli zehn Tage lang den Wiener Augarten und anliegende Bezirke beleben. Hinter dem Pseudonym "naked cinema" wiederum steht das Team von Kino unter Sternen, welches – ein EURO-Kollateralschaden gewissermaßen – seinen eigentlichen Spielbetrieb in diesem Jahr nicht aufnehmen konnte. Statt Filme zu zeigen, hat man sich diverse Interventionen im Stadtraum und Transformationen desselben ausgedacht, die mit dem Kino, dem Filmemachen oder der Filmwahrnehmung spielen.

Der Künstler Oliver Hangl beispielsweise lädt zur Straßenbahnfahrt mit der Linie 31 nach Stammersdorf ein. Man sitzt im Waggon, mit Kopfhörern, über die die sehbehindertengerechte Tonspur eines legendären österreichischen Spielfilms zu hören ist. Und währenddessen kann es durchaus passieren, dass draußen – auf der Fahrbahn, in Parks oder an Straßenecken – übermütige junge Hedonisten jene tendenziell abseitigen Dinge tun, die einem gerade akustisch beschrieben werden. Oder aber, dass sich die Fiktion auf seltsame Weise ins "reale" Geschehen hinein verlängert.

Das Duo Lampalzer/Oppermann führt zu Schauplätzen des mysteriösen Filmprojekts "Die dunkle Wucht". PRINZGAU/podgorschek haben zwei Wohnwägen als alternative Minikinos und Caravanserei eingerichtet. Schließlich haben noch diverse Kinogänger selbst das Drehbuch in die Hand genommen und sich Filmszenen und -stars anverwandelt. Alles in allem eine sinnfällige Konzentrationsübung. (Isabella Reicher, SPEZIAL/DER STANDARD/Printausgabe, 03.07.2008)