Wien - Die Chefanalysten der Raiffeisen Zentralbank (RZB) und Raiffeisen Centrobank (RCB) rechnen für die zentral- und osteuropäischen Aktienmärkte noch mit einem turbulenten Sommer. Im ersten Halbjahr seien die Ostmärkte unter ihren Erwartungen geblieben, ab September und im vierten Quartal sollte es allerdings wieder zu einer Erholung kommen. "Dann sollten die sehr negativen Meldungen ihre Wirkung überschritten haben, sollten die günstigen Bewertungen wieder zum Tragen kommen", so RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek heute, Mittwoch, in Wien bei einem Pressegespräch anlässlich der Veröffentlichung des jüngsten Kapitalmarktszenarios für Österreich und CEE.

"Wir erwarten uns für den den ATX lediglich eine moderate Aufwärtsbewegung und einen Stand per Ende September von 4.150 Punkten", so RCB-Chefanalystin Brigit Kuras. Die weiteren Indexzielwerte für den Wiener Leitindex: 4.200 per Ende Dezember, 4.500 Ende März 2009 und 4.700 Ende Juni 2009.

Die Inflation sei ein globales Phänomen geworden, auch die Ländern in Zentral- und Osteuropa, am Balkan oder der GUS seien davon betroffen, führte Brezinschek aus. Es gebe aber auch hausgemachte Faktoren in der Region, etwa die Knappheit auf den Güter- und Arbeitsmärkten, die expansive Fiskalpolitik, schlechte Infrastruktur und die rasante Einkommensentwicklung in Verbindung mit der hohen Kreditnachfrage. Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung der regionalen Notenbanken sollten sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Im September sollten die Zinsanhebungen dann ihren Höhepunkt erreicht haben.

Ausnahme Russland

Mit Ausnahme von Russland seien die CEE-Aktienmärkte in diesem Jahr bisher unter den Erwartungen geblieben. Die Hauptursache sieht Brezinschek in der zunehmenden Risikoaversion der Anleger. Nach einem schwachen dritten Quartalsbeginn dürften sich in den darauffolgenden Monaten eine leichte Erholung abzeichnen, weshalb die RZB die Aktienposition für diese Märkte von untergewichten auf neutral anhebt.

Extrem starke Kursverluste von über 30 Prozent seit Jahresbeginn habe es etwa in Rumänien gegeben, die tschechische Börse habe sich im Vergleich zu Polen und Ungarn gut halten können, der russische Aktienmarkt war neben Brasilien und Kanada der einzige, der das erste Halbjahr im Plus schloss. Hier hätten sich Steuerzuckerln für Energiekonzerne und die hohen Energie- und Rohstoffpreise positiv auf die Markteinschätzung ausgewirkt. Brezinschek erwartet für das zweite Halbjahr eine überdurchschnittliche Wertentwicklung der russischen Aktien.

Problem Inflation

Dem ATX seien zuletzt die negativen Konjunkturdaten und hohen Rohstoffpreise zum Verhängnis geworden, meinte Kuras. Die Inflation sei zu einem Problem geworden, die niedrigen Unternehmensbewertungen seien nicht mehr "kriegsentscheidend". OMV und Verbund seien die Gewinner der hohen Energiepreise. Während Unternehmen mit hohen Kreditständen unter weiteren EZB-Zinserhöhungen leiden sollten, könnten andere, wie die Post, Mayr-Melnhof oder Semperit von ihren hohen Cash-Beständen Nutzen ziehen. Der Wiener Gesamtmarkt sei mit einem Gewinnwachstum 2008 der ATX-Unternehmen von 16 Prozent und einem KGV von 11 besonders attraktiv bewertet.

Stefan Maxian, in der RCB für das CEE Research zuständig, bevorzugt Öl- und Gaskonzerne mit eigener Förderung, wozu auch die OMV oder auch deren rumänische Tochter Petrom zähle. Unter den Versorgern könnte die EVN die positive Kursbewegung der Verbund-Aktie noch nachvollziehen. Am Bankensektor favorisiert Maxian Banken mit starker Einlagenbasis, wie die Erste Bank oder ungarische OTP Bank. Am Telekommunikationssektor glänze die tschechische Telefonica O2 als Dividendentitel. Dagegen sei bei Industrietiteln nur geringes Aufwärtspotenzial zu erwarten. Die voestalpine bleibt hier eine Empfehlung. Neu auf der Empfehlungsliste der RCB steht der polnische IT-Dienstleister Asseco. (APA)