Shah Rukh Khan bei seinem Auftritt in Rotterdam.

Foto: Elke Mader
Die Europameisterschaft macht Fans zu Stars und Stars zu Fans. Unter den VIP-Gästen beim großen Finale im Ernst Happel Stadion ist auch ein Mann, der selbst vor kurzem in Rotterdam eine Halle mit 20.000 Fans füllte - der Bollywood Megastar Shah Rukh Khan. Seit einigen Monaten stolzer Besitzer des Cricket-Teams "Kolkata Knight Riders", bemüht sich der Star mittels Unterhaltung, Film und Sport immer wieder um freundschaftliche Beziehungen zwischen Indien und Pakistan sowie zwischen Moslems und Hindus. "Mein Sohn und ich interessieren uns auch sehr für Fußball, wir sind Fans von Michael Ballack", versicherte Shah Rukh Khan bereits bei der Berlinale im Februar.

"Om Shanti Om"

Bei der Berlinale lief sein Blockbuster "Om Shanti Om" (Regie: Farah Khan), ein Film der eigenen Produktionsfirma, in dem er auch die Hauptrolle spielt, außer Konkurrenz. Der Streifen, ein Paradebeispiel für das oft als Kitsch verschmähte populäre Hindi Kino, war schneller als alle anderen Filme ausverkauft, nämlich in sieben Minuten – sehr zum Erstaunen der Veranstalter und der Presse. Verwunderung erweckten auch die etwa 3000 Fans: Sie hatten sich aus ganz Deutschland und verschiedenen Ländern Europas in Berlin eingefunden um den Mann zu sehen, den sie lieben und verehren. Aber auch der Star selbst beeindruckte – er gab stundenlang Autogramme und teilte der Presse mit, er möchte am liebsten jeden Fan persönlich umarmen, womit er – so der Leiter der Berlinale Dieter Kosslick – eine unfassbare Euphorie auslöste.

"Temptation Reloaded"

Am 21. Juni 2008 stand Shah Rukh Khan mit anderen großen indischen Stars wie Kareena Kapoor und Arjun Rampal in Rotterdam auf der Bühne: "Temptation Reloaded", ein indischer Mittsommernachtstraum, in dem Tanzszenen aus verschiedenen Filmen neu inszeniert und mit kabarettistischen Einlagen und viel Publikumsinteraktion vermischt werden. Masala auf der Bühne: Masala bezeichnet eine Gewürzmischung, aber auch das filmische Gestalten jenseits aller gängigen Genres im indischen Kino. Shah Rukh Khan in Bewegung bewegt in Rotterdam die Menschen. Im begeisterten Publikum dominieren hier deutlich MigrantInnen aus Südasien, zwischen ihnen finden sich aber auch viele Fans aus verschiedenen europäischen Ländern und mit diversem kulturellem Hintergrund. Für die indo-holländischen Veranstalter Sekier Entertainment ist die Show ein wichtiger Schritt bei dem Vorhaben, mehr indisches Kino und Unterhaltungskultur nach Europa zu bringen. Eine andere Star-Crew, angeführt von Senior Superstar Amitabh Bachchan soll demnächst nach Holland kommen während Shah Rukh Khan & Co im Oktober in Berlin und anderen deutschen Städten gastieren.

Die Expansionswelle des indischen Films in den vergangenen Jahren ist Teil von neuen ökonomischen Dynamiken in Indien und den globalen Medien, Shah Rukh Khan ist Vorreiter und Leitsymbol dieser Bewegung. Er ist mehr als der berühmteste Filmschauspieler Indiens der Gegenwart, er ist ein weltweites kulturelles Phänomen, ein globaler Held und Kulturvermittler, der Millionen von Menschen in allen Kontinenten in seinen Bann zieht. Indisches Kino bewegt nicht nur Fans sondern auch WissenschafterInnen aus verschiedenen Fachdisziplinen. In Wien beschäftigen sich ForscherInnen aus der Theater-, Film-, und Medienwissenschaft (Claus Tieber), aus der europäischen Ethnologie (Bernhard Fuchs) und der Kultur- und Sozialanthropologie (Elke Mader, Mehru Jaffer, Ulrike Davis-Sulikowski, Philipp Budka) mit diesem komplexen kulturellen Gefüge. In einem Forschungsprojekt der Kultur- und Sozialanthropologie "Bolly Global" geht es um die Rezeption von Filmen, die Vermittlung von Werten und Emotionen, die Entstehung und Gestaltung von lokalen "Bollywood-Praktiken" – etwa Tanz oder digitale Fankunst im Internet. Nicht zuletzt geht es um die Beziehungen zwischen Stars und Fans als transkulturelle Prozesse im Rahmen einer globalen kosmopolitischen Populärkultur, deren schillernstes Beispiel gegenwärtig Shah Rukh Khan ist.

Fans

Eine kleine multikulturelle Gruppe von Wiener Fans versammelt sich am Flughafen Schwechat, um den Star zu verabschieden – in der Hoffnung auf ein Autogramm, ein Foto, ein Lächeln, eine Umarmung. Shah Rukh Khan hat seinen Sohn und dessen Freund dabei, er winkt den Fans bereits von der anderen Straßenseite zu, als sein Gepäck aus dem Auto geladen wird. Er kommt mit Kindern, Bodyguard und Gepäck zu den seit vielen Stunden aufgeregt wartenden Menschen und versucht gelassen zwischen Eingang und Einchecken alle Fanwünsche zu erfüllen. Was sagt er zum Finale? "Ich wünschte, Deutschland hätte gewonnen", spricht der treue Fan von Michael Ballack. Wann kommt er wieder nach Österreich? "Wir denken über eine Show in Wien nach." Da hoffen doch viele, dass es nicht beim Nachdenken bleibt. (Elke Mader, derStandard.at, 02.07.2008)