Istanbul - Der türkische Oppositionsführer Deniz Baykal
hat die Festnahme mutmaßlicher Mitglieder einer
ultranationalistischen Untergrundgruppe scharf kritisiert. Nachdem 21
Beschuldigte in Gewahrsam genommen wurden, verglich Baykal, der
Vorsitzende der kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP),
den Einsatz mit der Verfolgung in Nazi-Deutschland in den 1930er
Jahren, berichtete die Tageszeitung "Radikal" am Mittwoch. Die
Beschuldigten seien angesehene Widersacher der
islamisch-konservativen Regierungspartei AKP (Gerechtigkeits- und
Entwicklungspartei). Der Polizeieinsatz vom Vortag sei in
demokratischen und modernen Staaten beispiellos.
Die Polizei hatte in Ankara und Istanbul mutmaßliche Mitglieder
der Untergrundgruppe "Ergenekon" festgenommen. Unter ihnen sind die
pensionierten Generäle Sener Eruygur und Hursit Tolon, Journalisten
und ein Wirtschaftsvertreter. Ergenekon wird beschuldigt, hinter
mehreren Anschlägen zu stecken und einen Putsch gegen die
AKP-Regierung vorbereitet zu haben.
Baykal sagte, so respektierte Personen des öffentlichen Lebens
würden nur in Putschzeiten festgenommen. "Ergenekon ist eine
politische Angelegenheit", betonte der Oppositionschef. Die türkische
Tageszeitung "Sabah" berichtete am Mittwoch, es sei bereits der
sechste Einsatz gegen Ergenekon gewesen. Insgesamt seien bisher 110
Personen in Gewahrsam genommen worden.
Am Dienstag war das Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei in
seine entscheidende Phase getreten. Vor dem Verfassungsgerichtshof in
Ankara hielt Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalkcinkaya sein
Schlussplädoyer. Er beantragt die Auflösung der Partei von
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die bei der Parlamentswahl im
vergangenen Jahr 47 Prozent der Stimmen bekommen hatte, wegen
Verstoßes gegen das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und
Religion und fordert ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot
für Erdogan und andere führende AKP-Politiker. (APA/dpa)