Ein merkwürdiger Zustand, in dem wir jetzt leben. Ein Kanzler, der das Vertrauen seiner Partei nicht mehr hat, geht einfach nicht. Lässt den Genossen ausrichten, sie könnten ihn im Parlament per Misstrauensantrag abwählen. Er bleibt stur sitzen und hofft auf die kleine, winzige Chance, dass sich doch noch etwas dreht in seinem Schicksal. Wenn die Parteifreunde nicht bald den Mut aufbringen, ihm - ins Gesicht, nicht über die Zeitung - zu sagen, dass er gehen soll, dann kommt's wirklich so. Oder: Ein erfolgsgewohnter Zeitungsherausgeber macht einer großen Blonden einen politisch unsittlichen Antrag und holt sich eine kühle Abfuhr. Das hat er schon lange nicht erlebt. Im Bawag-Prozess kommen die Urteile, inzwischen machen sich die jungen Frühstücksquatscher im Privatfernsehen über die Krankheit des alten Hauptangeklagten lustig und legen auch den Fuß auf den Tisch. Und unsere Justiz sperrt - zugegeben durchgeknallte - Tierschützer wegen "terroristischer Vereinigung" (mit fragwürdigem Tatsachensubstrat) wochenlang in U-Haft, was ihr bei Kinderprüglern nicht einfällt. Ziemlich komisch, woran wir uns schon gewöhnt haben. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2008)