"Die österreichische Bundespolitik hat EU-Niveau erreicht. Und das will etwas heißen!" Mit beißendem Spott verfolgt der Linzer Meinungsforscher Werner Beutelmeyer die Entwicklungen in der Regierung – und ihre Wirkung in der Demoskopie.

Und da zeigt sich ein erstaunlicher Effekt: Hatten die Bürger bisher stets höheres Vertrauen und größere Zuneigung zu Entscheidungsträgern in der Nähe und eher Misstrauen zu "fernen" Entscheidungen in Brüssel, so sind die Umfragewerte für die Bundespolitik inzwischen auf das Niveau gesunken, das sonst nur die EU-Politik hat.

Und dieses ist, wie eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage von Beutelmeyers market-Institut zeigt, ziemlich gering: So erleben 86Prozent die EU nicht als bürgernah. 84 Prozent glauben nicht, dass sie rasch und unbürokratisch arbeitet. Über 70 Prozent finden die EU unsympathisch und glauben nicht, dass sie die Sorgen und Ängste der Österreicher kennt. Dafür glauben 86 Prozent, dass sie viel Transitverkehr bringt.

Ob das richtige Rezept zur Veränderung eines solchen Meinungsbildes darin liegt, eine EU-Volksabstimmung zu fordern, wie es die SPÖ getan hat? Beutelmeyer verneint: "An den großen Befreiungsschlag der SPÖ glaubt doch keiner. Soweit ich es einschätzen kann, glaubt die Mehrheit der Österreicher auch nicht, dass die Personalrochade der SPÖ sonderlich viel gebracht hat – oder dass ihre Glaubwürdigkeit durch den Brief an Hans Dichand gestiegen wäre."

Am wahrscheinlichsten sei, dass beide Koalitionsparteien leiden: Derzeit herrsche in der Politik die Unsicherheit vor, und das schade den Regierungsparteien. Nutznießer ist die FPÖ. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2008)