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Foto: APA/Schlager
Wien - Der Heldenplatz ist zur Zeit eine Baustelle: Die Fanzone der Fußballeuropameisterschaft wird abgebaut. Am benachbarten Ballhausplatz wurden heute Bemühungen unternommen, eine andere Baustelle zu verhindern und die Regierung zu retten: Am Vormittag sprach die ÖVP bei Bundespräsident Fischer in der Hofburg vor, zu Mittag stellte sich die gesamte SPÖ-Regierungsmannschaft im Bundeskanzleramt der Presse. Auch wenn die Stimmung nicht gerade gut ist, dürften Neuwahlen - zumindest für heute - vom Tisch sein.

Nach seiner mehr als einstündigen Aussprache mit Fischer sagte ÖVP-Chef Wilhelm Molterer zu Journalisten, er verlange von der SPÖ die "Rückkehr auf die einheitliche Linie" in Sachen EU. Er forderte eine "rasche Klarstellung" des Koalitionspartners. Die ÖVP habe mit dem Bundespräsidenten "die Aussprache gesucht", da die SPÖ in einer "essentiellen Frage" vom Kurs abgewichen sei.

Mit der Situation vergangenen Ostern sei die aktuelle Lage nicht vergleichbar, so Molterer: "Damals ging es um inhaltliche Differenzen, jetzt geht es um prinzipielle Fragen zur Perspektive Österreichs".

Das schwarze Quartett, das zum Krisengespräch bei Fischer angerückt war, bestand aus Parteichef Wilhelm Molterer, Regierungskoordinator Josef Pröll, Außenministerin Ursula Plassnik und Klubobmann Wolfgang Schüssel.

Fischer gegen Neuwahlen

Bundespräsident Heinz Fischer sprach sich in einer ersten Reaktion nach dem Gespräch strikt gegen Neuwahlen aus. "Ich habe diese Regierung beauftragt, vier Jahre zu arbeiten, und an meiner Meinung hat sich nichts geändert". Für ihn stekke sich die Frage nach Alternativen. Politik müsse auch über den Tag danach nachdenken. "Welchen Sinn macht es, neu zu wählen?"

Fischer kritisierte außerdem die Kundmachung des Schwenks der SPÖ in Sachen EU-Politik per Brief an Hans Dichand. "Der Brief an einen Zeitungsherausgeber ist kein Anlass, die Linie der Regierung zu ändern", sagte Fischer. Bezüglich einer Volksabstimmung über EU-Verträge betonte Fischer, wenn keine Gesamtänderung der Verfassung vorliege, obliege es alleine dem Parlament, ob ein Referendum durchgeführt werde.

Fischer bestätigte zudem, dass er von Alfred Gusenbauer und Werner Faymann nicht über die neue EU-Linie vorab informiert worden ist. "Zeitungsberichte, dass ich nicht informiert wurde, treffen zu", antwortete er auf die Frage einer Journalistin.

SPÖ-Team versammelt sich

Damit war das Thema Regierung für heute aber bei weitem noch nicht erledigt. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer versammelte sich mit seinem gesamten SPÖ-Regierungsteam zu einer Pressekonferenz zum Thema "Entlastungsmaßnahmen". Nur Werner Faymann war nicht dabei - er sei erkrankt, berichtete der Kanzler.

Offiziell war der Anlass der Pressekonferenz das heute in Kraft getretene "Entlastungspaket" rund um Pendlerpauschale und Kilometergeld, inoffiziell ging es vor allem um die Regierungskrise.

Auf Journalistenfragen dazu meinte Gusenbauer, man werde die Anregungen des Bundespräsidenten ernst nehmen: "Wir wollen ja weiter arbeiten". Er verstehe aber Molterers Aufforderung zur Rückkehr auf die gemeinsame Linie nicht: "Ich weiß nicht, was diese absurde Aufforderung soll". Die SPÖ fahre weiterhin eine Pro-EU-Linie, man wolle in Zkunft aber die Bevölkerung stärker miteinbeziehen. "Ein Europa ohne Europäer wird nicht funktionieren", so Gusenbauer.

Angelobung

Am späten Nachmittag (16.30 Uhr) ist die Angelobung der neuen Regierungsmitglieder geplant. Andreas Schieder wird als Beamtenstaatssekretär angelobt, Heidrun Silhavy als neue Frauenministerin, Maria Fekter als Innenministerin. (az, rwh, derStandard.at, 1.7.2008)