Fühlen sich von Behörden schikaniert: Anna, David und Jimony F. (v.li.)

Foto: Fischer
Die meisten Ehen werden im vierten Jahr geschieden. Auch Anna und Jimony F. sind seit vier Jahren verheiratet und werden sich demnächst voneinander trennen, doch sie tun es nicht freiwillig. Die Fremdenpolizei hat Herrn F. vor die Wahl gestellt: Entweder freiwillige Ausreise nach Nigeria - oder Abschiebung. Dass das Paar einen kleinen Sohn hat, der überwiegend von Jimony F. betreut wird, kümmerte die BeamtInnen nicht.

Dabei hatten die F.s zu einer Zeit geheiratet, als für binationale Ehepaare alles noch vergleichsweise rosig war: Das Fremdenrechtspaket 2005 war noch nicht geschnürt, EhepartnerInnen konnten nach der Heirat relativ problemlos Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erhalten. Doch F.s Antrag wurde verschleppt (derStandard.at berichtete) - und seither heißt es: Bitte warten.

Unfreiwillige Ausreise

Einer Niederlassungsbewilligung stünde inhaltlich nichts entgegen: Da Herr F. eine fixe Jobzusage ab Erteilung der Arbeitserlaubnis im Geschäft seiner Frau hat, scheint das vorgeschriebene Familieneinkommen von monatlich 1700 Euro gesichert. Trotzdem darf F. nicht hier bleiben: Um seinen Antrag auf Niederlassung zu stellen, muss der 39-Jährige nach Nigeria fliegen. Sein Ersuchen, den Antrag im Inland stellen zu können, lehnten sie ab.

Eine "mutwillige Schikane" sei das, findet Anna F.: Denn das Gesetz hätte es den BeamtInnen durchaus erlaubt, ein Auge zuzudrücken, und aus "humanitären Gründen" - Stichwort: Schutz des Familienlebens - eine Ausnahme von der verpflichtenden Auslandsantragsstellung zu gewähren. Die humanitären Gründe seien aber gar nicht erst berücksichtigt worden, kritisiert "Helping Hands"-Rechtsberater Peter Marhold, der die F.s betreut: Es sei allein um die Frage gegangen, ob Jimony F. reisefähig ist - zu Deutsch: einen Reisepass besitzt.

Humanitäre Gründe ungeprüft

Dass es sich hier um gängige Praxis handelt, bestätigt auch Beatrix Hornschall, die Leiterin der Wiener MA 35, jener Behörde, die über die Ausnahmen von der Auslandsantragsstellung zu entscheiden hat. Zumindest offiziell - denn in den meisten Fällen ist die MA 35 nur Beobachterin. Sie braucht die Zustimmung des Innenministeriums, das diese Aufgabe wiederum an die Fremdenpolizei delegiert hat. Die Fremdenpolizei überprüft in der Regel aber nur, ob jemand die notwendigen Papiere für eine Abschiebung hat. Fazit: Jene "humanitären Aufenthaltsgründe", die VerfassungsrichterInnen seit einiger Zeit als oberste Priorität betrachten, können in der Praxis von einzelnen Polizeibeamten definiert werden. Fakten wie eine Familiengründung in Österreich würden vom Ministerium aber ohnehin "nicht akzeptiert", beteuert Hornschall.

Teure Reise

Wie viel sich die F.s bei einer Inlandsantragsstellung ersparen würden, zeigt eine Überschlagsrechnung: Die billigsten Flüge in F.s Heimatstadt Lagos kosten ab 900 Euro - dazu kommen mehrfache Anreisen zur Botschaft in der Hauptstadt Abuja - pro Flugticket 220 Euro aufwärts, jeweils zuzüglich Nächtigungskosten. Frau F. muss für die Monate der Abwesenheit ihres Mannes eine Ganztagsbetreuung für den eineinhalbjährigen Sohn und die drei Kinder aus früherer Ehe finanzieren, da sie selbst ganztags im eigenen Afrikawaren-Geschäft arbeiten muss, das wiederum 1500 Euro Fixkosten verschlingt. Zudem könnte F., der seit vier Jahren vergeblich auf eine Arbeitserlaubnis wartet, im Falle einer Inlandsantragsstellung wohl schon früher zum Familieneinkommen beitragen.

Der Fall F. ist auch im Lichte der jüngsten VfGH-Entscheidung (derStandard.at berichtete ) brisant: Der Innenminister habe bei der Vergabe humanitärer Aufenthaltsrechte - sie folgt den gleichen Kriterien wie die Zulassung der Inlandsantragsstellung - jedenfalls "keinen schrankenlosen Ermessensspielraum", er müsse auf den Schutz des Privat- und Familienlebens Rücksicht nehmen, hieß es da. Bis 2009 muss die Entscheidung umgesetzt werden. (Maria Sterkl, derStandard.at, 6.7.2008)