In einem der Bücher, die da stapelweise bei uns herumliegen, steht, dass Babys in den ersten Wochen das Leben wie eine Suppe wahrnehmen. Das Baby selbst, Mama, Papa, der Kinderwagen, die Welt draußen - alles eine Einheit, ein Topf, ein Geschmack. Es schmeckt nach Hunger, nach heiß, nach fad, nach Hose voll. Mich erinnert das an den alten Internet-Witz über den männlichsten aller Schauspieler: "Wenn Chuck Norris ins Wasser fällt, wird er nicht nass. Das Wasser wird Chuck Norris." Beim Wurm ist es auch so: Wenn er Hunger hat, hat die Welt Hunger. Und die ganze Welt muss sich der Umwandlung des Hungergefühls (brüll) in Nichthunger (lall, glucks, ratz) widmen.

Deswegen ist Straßenbahnfahren so schwierig. Unlängst mussten wir zum Kinderarzt. Wir nahmen uns aufrichtig vor, mit den Öffis hinzufahren, das Auto stehen zu lassen, die Autoabhängigkeit und den inneren Schweinehund zu überwinden, aggressiv transpirierende Mitreisende zu ignorieren, selbst die jungtürkischen Fußballfans, die - singend in Richtung inoffizieller Fanzone unterwegs - die Waggons verstopften, nein, nicht nur hinzunehmen, sondern aufmunternd anzulächeln (schade, dass ein großes Herz gegen den effizienten deutschen Hundskick nicht ausgereicht hat, doch das nur nebenbei).

Für all das nahmen wir uns Zeit, eine Stunde für einen Weg, der wurmlos 20 Minuten in Anspruch nehmen würde. Die Suppenfolge in Kurzform: heiß, Bauchweh, Furzen mit Materialnachschub, Umgebung einnässen, Hunger, Materialabgang, heiß, Tragetuch bäh, Hunger, nass, grantig, Hunger.

Zehn Minuten vor dem Arzttermin schnappten wir den Suppenkaspar, setzten ihn in den Maxicosi (die Notfallflasche gezückt), rein ins Auto, wo er in der Sekunde einschlief. Zehn Minuten zu spät lud ihn Mama vor der Ordination aus, Papa suchte Parkplatz. Ich bewundere aufrichtig alle grünbewegten Autoverweigerer. Sofern sie nicht - unfairerweise - einen guten Kinderarzt als Nachbarn haben. (szem/DER STANDARD Printausgabe 23.5.2008)