Waidhofen – „Sie werden als Bettvorleger von Hans Dichand enden“, reagierte Meinungsforscher Peter Ulram ungehalten auf Christian Felber, den Mitbegründer von Attac Österreich. Felber hatte bei einer Disskussionsrunde zum Thema „Österreich im Herzen Europas – Europa im Herzen?“ in Waidhofen an der Thaya am Donnerstag die Europäische Union scharf als undemokratisch kritisiert. „Das Subsidiaritätsprinzip wird von der EU radikal gebrochen“, und die Bevölkerung werde damit übergangen, sagte Felber. Womit er für Ulram „die gleiche Linie“ wie die Kronen Zeitung mit ihrer Anti-EU-Kampagne vertritt.

Scharfe Debatte

Einen Schlagabtausch gab es auch zwischen Georg Doutlik, dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Agnes Schierhuber, Mitglied des Europäischen Parlaments und dem EU-Kritiker Felber. Der trat für eine Veränderung des Reformvertrages von Lissabon ein. „Frankreich, Holland und jetzt auch Irland haben den Vertrag abgelehnt und die Regierungen schreiben ihn trotzdem nicht um.“ Schierhuber wies die Vorwürfe Felbers über ein europäisches Demokratiedefizit vehement zurück, die EU würde ja demokratischer, wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft träte. Auch hätten die Iren vor allem deshalb mit Nein gestimmt, weil Negativ-Kampagnen leichter zu führen und deswegen erfolgreicher seien. Der irische Geschäftsmann Declan Ganley habe mit Geld alle Argumente totgeschlagen.

Auch Doutlik konnte die Aussagen Felbers nicht akzeptieren. Er habe zwar gute Ideen, aber sie seien „extrem stark überzogen“, kritisierte der Kommissionsvertreter. Ulram wurde hingegen um einiges deutlicher: „Sie sind ein Populist“, sagte er in Richtung des Vertreters des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und empfahl ihm, doch öfter „das Hirn zu verwenden“. SP-Bundesrat Karl Boden bewahrte Ruhe und forderte mehr regionales Engagement der EU.

Applaus gegen die EU

So vehement die Diskussionsteilnehmer auf Felbers Argumente mit Kopfschütteln reagierten, so heftig spendeten die gut 200 jungen Zuhörer im Publikum Applaus. Das deckte sich auch mit dem Ergebnis einer Umfrage, die einige der anwesenden Schüler im Vorfeld der Veranstaltung in Gmünd und Weitra gemacht hatten. Sie fragten nach dem Vertrauen der Bürger in die EU und kamen auf nur 26 Prozent Zustimmung. Das jüngste Eurobarometer hatte einen ähnlichen Wert erbracht: Nur bei 28 Prozent der befragten Österreicher hat die EU ein positives Image. Nach Ulram ist diese starke Ablehnung auf die relativ schlechtere Wirtschaftslage in Österreich, die Verfassung der Bundesregierung und die „Kontra-Kampagne der Krone“ zurückzuführen. Schierhuber sieht das Ergebnis vor allem in der unzulänglichen Kommunikation der EU begründet. Die Union könne viele Erfolge aufweisen, doch die Bevölkerung bemerke diese nicht.

Die Diskussionsrunde im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Europa vor Ort“ fand zum ersten Mal statt. Vor allem Schüler waren anwesend, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machten und sehr negativ gegenüber der EU eingestellt waren. Eine Stimme für viele: „Wir finden, dass die EU-Bürger über Verträge abstimmen sollten. Warum ist das nicht so?“ Schierhuber zeigte sich am Ende der Debatte „von der Reaktion der Jugend sehr berührt“. Doch niemand – auch die Schüler nicht – sollte vergessen, was die EU als Friedensprojekt leiste und welche Möglichkeiten sie gerade Jugendlichen biete.

Mit dem Projekt der Kommissionsvertretung in Österreich in Kooperation mit dem Standard soll eine Diskussion über die Europäische Union in den Regionen Österreichs angeregt werden. Am Donnerstag schien dieses Ziel – bei aller Kritik an der EU – erreicht: Als die Podiumsdiskussion schon lange beendet war, wurde noch angeregt weiterdiskutiert. (Corina Staniek, DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2008)