Hahn über Faymann: "Seine politische Gestaltungsdimension werden wir noch entdecken müssen."

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Hahn über die neue Nummer eins in der SPÖ, schwarze Rudelauftritte mit Häuptling und einen Spitzenjob für Alfred Gusenbauer. Mit ihm sprach Lisa Nimmervoll.

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STANDARD: Was ist die neue SPÖ-Doppelspitze aus Sicht der ÖVP? Doppelt so stark oder halb so stark?

Hahn: Eine Doppelspitze ist meist nicht so scharf wie eine, oder?

STANDARD: Also war es für die ÖVP das Beste, was ihr passieren konnte, dass Gusenbauer künftig nur noch auf Kanzler machen will?

Hahn: Nein. Für uns ist nach wie vor das Thema: Wo rufen wir an?

STANDARD: Wo werden Sie anrufen?

Hahn: Na ja, ich werde mich darauf beschränken, das weiter bei Ministerin Schmied zu tun. Die Nummer stimmt wenigstens sicher.

STANDARD: Sie kennen Werner Faymann aus Ihrer Wiener Zeit. Was erwarten Sie von ihm als SPÖ-Chef? Er gilt ja eher als ideologiefern.

Hahn: Das ist sicher ein Punkt. Seine politische Gestaltungsdimension werden wir noch entdecken müssen, also was ihn politisch-inhaltlich antreibt, das zu machen. Irgendwie kommt er mir vor wie eine Neuinterpretation des Teflon-Kanzlers im 21. Jahrhundert.

STANDARD: Ein Wiedergänger von Franz Vranitzky, an dem alles abperlte wie an der namensgebenden Pfanne? Glauben Sie, Faymann wird die SPÖ schärfer positionieren? Zugleich muss sein anderes Ich als Regierungskoordinator auf Ausgleich mit der ÖVP bedacht sein.

Hahn: Auf Ergebnisorientierung. Das Problem ist, in seiner neuen Funktion des Ersten lassen sich halt nicht immer alle Bruchlinien ständig umschiffen. Das wird das Ungewohnte für Faymann sein. Aber auch für uns im Diskurs mit ihm, denn bisher war das immer sehr konsens- und ergebniskonzentriert in den Fachdisziplinen.

STANDARD: Das ÖVP-Regierungsteam ist gestern demonstrativ geschlossen zum Ministerrat einmarschiert. Die ersten Vorboten für psychologische Kriegsführung?

Hahn: Das war das symbolhafte Zum-Ausdruck-Bringen, dass wir ein Team sind. Wir haben einen Häuptling. Wir agieren gemeinsam und sind immer einsatzbereit.

STANDARD: Der ÖVP-Häuptling, Wilhelm Molterer, ist unumstritten?

Hahn: So ist es.

STANDARD: Wiens Bürgermeister Michael Häupl rechnet mit Neuwahlen, weil er meint, die ÖVP plane den Absprung. Hat er recht?

Hahn: Der rechnet so viel hin und her und hat sich schon oft verrechnet.

STANDARD: Sie schließen aus, dass die ÖVP Neuwahlgelüste befallen?

Hahn: Die Diskussion hatten wir schon zu Ostern. Das, was damals galt, gilt jetzt auch: Wir haben ein aufrechtes Regierungsprogramm, das ist in Abarbeitung. An sich ist unsere Bereitschaft da, aber unendlich verbiegen lassen wir uns natürlich nicht. Es gibt keinen Grund, unsere Positionen zu verändern. Die haben wir hinreichend diskutiert und zum Teil auch mit dem Koalitionspartner - Stichwort Pensionsautomatik - gerade vereinbart. So kann man nicht arbeiten, dass man etwas ausmacht, und drei Tage später kommt man wieder drauf, so geht das nicht. Da geht es um prinzipielle Sachen.

Ich bin kein Prinzipienreiter. Diese Dinge sind ausdiskutiert, wie ich meine, auch hinreichend behirnt, und das gehört auch zum Führen, dass man etwas entscheidet und auch durchzieht. Wenn das jetzt bei der Pensionsautomatik passiert, ist es das nächste Mal bei der Gesundheitsreform, dann bei der Steuerreform. Und das geht mit Sicherheit nicht.

STANDARD: Glauben Sie, dass Kanzler Gusenbauer SPÖ-Spitzenkandidat wird, wie die SPÖ jetzt sagt?

Hahn: Vielleicht wird er es ja bei der Europa-Wahl? Irgendeine Spitzenkandidatenfunktion wird sich schon ergeben. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2008)