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Wohlgefällig beobachtete Beatrix P. eine Biene, die sich eben auf einem Rosenblatt niederließ.

Foto: APA/dpa/Peter Steffen
Unlängst begab sich Beatrix P. genüsslich auf ihre Stadtterrasse, um in diesem grünen Hort gezügelter Botanik der Hektik der täglichen Werktätigkeit zu entsagen. Denn wenig geht über ein paar gekonnt durchwucherte Quadratmeter unter freiem Himmel, auf denen man diszipliniert in der Erde wühlen und dem Wachstum der verschiedensten Topfgeschöpfe zuschauen darf.

Zwischen Lilien, Nelken, Ginster ein gemütlicher Liegestuhl, vielleicht ein gut aufgeschäumter Milchkaffee auf dem Beistelltischchen, die rosa Lieblingszeitung bei der Hand, oben zwitschern die Schwalben, unten dröhnt das Verkehrsgetöse gedämpft in weiter Ferne. Noch ein behaglicher Blick in die Runde, weil jetzt blühen ja gerade auch die Rosen.

Wohlgefällig beobachtete Beatrix P. eine Biene, die sich eben auf einem Rosenblatt niederließ. Sieh an, mag sie dabei gedacht haben, selbst in das kleinste Gärtlein finden diese fleißigen Insekten, und ich bin eine derjenigen, die ihnen ein wenig Nahrung bieten, hier mitten in der Großstadt.

Scharfes Mundwerkzeug

Doch diese Biene in Wien war anders, sie hatte es weniger auf Nektar abgesehen als auf ein - noch - makelloses Rosenblatt. Ein grünes, wohlgemerkt. Aus diesem schnitt das pelzige kleine Tier säuberlich und ohne innezuhalten mit offensichtlich scharfen Mundwerkzeugen vor den erstaunten Augen der Stadtgärtnerin seitlich ein kreisrundes Stück heraus und summte damit von hinnen.

Sprachlosigkeit! Wer hat schon jemals von Blattschneiderbienen gehört? Von Ameisen ja, gut und gerne, aber die gedeihen irgendwo in den feuchten Höllen des Amazonasbeckens, fernab jeglicher Zivilisation.

Doch tatsächlich gibt es jede Menge Blattschneiderbienen, selbst hier in Europa. Kleine Auswahl gefällig? Da wären, weil die Namen so schön sind, neben der gemeinen und der nordischen Blattschneiderbiene auch die Weidenröschen-Blattschneiderbiene, die weißfilzige Blattschneiderbiene sowie die hasenfüßige und die schwarzbäuchige Blattschneiderbiene. Die meisten von ihnen sind besonders pelzig und sehr nett anzuschauen.

Liniennester

Diese Wildbienen gehören zu den Löcherbienen. Sie bauen mit den Blattabschnipseln wahlweise in selbstgegrabenen Erdgängen, hohlen Pflanzenstängeln oder in von Holzkäferlarven produzierten Gängen sogenannte Liniennester. Aus den ovalen oder runden Blattstücken werden Brutzellen zusammengedreht wie kunstvolle Stanitzel. Die Bienen füllen diese etwa bis zur Hälfte mit Pollen und Nektar, legen ein Ei darauf und schließen die Blattwabe mit einem Blattdeckel ab.

Die Blattschneiderbienen zeichnen sich allerdings durch eine weitere erstaunliche Eigenart aus, von der ihre besonders neugierigen Betrachter Kenntnis haben sollten: Sie verfügen im Gegensatz zu den uns bekannten Honigbienen über einen extrem beweglichen Hinterleib. Den können sie bis über ihren Kopf vorbiegen und so quasi nach allen Richtungen stechen. Also: Mit der Nase vielleicht nicht zu nah an das Blattschneidertier kommen.

Zur selben Gattung, Megachile, gehören übrigens auch die Mörtelbienen. Das sind diejenigen, die für die kleinen Tontöpfchen an Felsen und Steinen und auch an manchen Hauswänden verantwortlich sind.

Erstaunlich, meinte jedenfalls Beatrix P.: Jahre-, ja jahrzehntelang könne man auf diesem Erdenrund wandeln, und des Dazulernens sei noch lange kein Ende. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/20/06/2008)