Udo Weinberger: "Abseits des gesunden Menschenverstandes ist das MRG zu einem Spielfeld der Wissenden geworden."

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Mit dem Präsidenten des Österreichischen Verbandes der Immobilientreuhänder sprach Wojciech Czaja.

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STANDARD: Wie zufrieden sind Sie mit dem Mietrechtsgesetz?

Udo Weinberger: Das derzeitige Mietrechtsgesetz (MRG) ist Ergebnis jahrelanger politischer Diskussionen. Aus heutiger Sicht ist es allerdings in der Historie steckengeblieben. Viele Bestimmungen hatten ihre Berechtigung in Zeiten der Wohnungsnot und sind heute nicht mehr zeitgemäß. Viele Übergangsbestimmungen schaffen Ungerechtigkeit: Es kann nicht sein, dass die Folgen bei Ende eines Mietverhältnisses davon abhängen, wann die Miete begonnen hat! Die Diskussionen der letzten Zeit rund um Erhaltungspflicht und Betriebskosten beweisen, dass dringender Änderungsbedarf besteht.

STANDARD: Welcher Bereich ist novellierungsbedürftig?

Weinberger: Es bedarf endlich einer klaren Regel in der Erhaltungspflicht. Was zahlt der Mieter - und was zahlt der Vermieter im aufrechten Bestandverhältnis, also für die Dauer des Mietverhältnisses? Es ist etwa anderthalb Jahre her, dass der OGH in zwei Verbandsklagen von seiner sonst ständigen Rechtsprechung abgegangen ist und die Vereinbarung einer Erhaltungspflicht des Mieters als nicht zulässig erachtet hat. Sofort haben einige Mieter die Kosten für getätigte Investitionen zurückverlangt - bis dato allerdings gerichtlich ohne Erfolg. Das Landesgericht Wien hat die Arbeiterkammer zuletzt kritisiert, weil sie durch ihre Aussendungen die Bevölkerung verunsichert habe.

STANDARD: Derzeit gibt es also eine Pattstellung?

Weinberger: Die Situation ist unzufriedenstellend. Jetzt sollen diese Fehlinformationen durch eine übereilte Anlassgesetzgebung saniert werden. Im Grunde geht es dabei wieder einmal um Bevormundung von Vertragspartnern.

STANDARD: Sind die Mieter mit dem MRG denn überhaupt vertraut?

Weinberger: Mieter wissen sehr genau, was sie leisten müssen, wenn sie einen Vertrag unterzeichnen. Mit den wesentlichen Grundzügen des Gesetzes sind sie aus ihrer Erfahrung heraus bestens vertraut. Dazu zählen Mietzinshöhe, Befristungsrecht und Kündigungsvorschriften. In Wirklichkeit gibt es nur einen marginalen Prozentsatz an Vereinbarungen, die im Streit oder sogar gerichtlich gelöst werden müssen. Ich schätze, dass die Mietverhältnisse zu 99 Prozent ohnehin reibungslos ablaufen.

STANDARD: Und wie sieht es abseits dieser Grundzüge aus?

Weinberger: Schlecht. Das heutige MRG macht es einem nicht leicht. Abseits der klaren Regelungen, die sich mit einem gesunden Menschenverstand ohnehin von selbst erklären, ist das MRG zu einem Spielfeld der Wissenden geworden. In vielen Bereichen müssen sich Mieter und Vermieter über Online-Portale, Fachzeitschriften, Verbände oder sogar über Rechtsanwälte informieren.

STANDARD: Was sind die größten Missverständnisse?

Weinberger: Was viele nicht wissen, ist die Frage, wann ein Mietobjekt dem MRG unterliegt und wann nicht. Im Bereich von neu ausgebautem Dachgeschoß und von Ein- und Zweifamilienhäusern ist das MRG nicht zur Gänze anwendbar, weil es sich hier per definitionem selbst ausnimmt. Das muss man erst einmal wissen!

STANDARD: Wolfgang Louszek, Präsident des Verbandes der institutionellen Immobilieninvestoren (VII), fordert, dass Büro- und Geschäftsflächen aus dem MRG herausgenommen werden sollen. Ist das realistisch?

Weinberger: Nicht nur realistisch, sondern bitter nötig! Es ist nicht mehr argumentierbar, dass Flächen, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, immer noch dem MRG unterliegen. Und ich spreche hier nicht nur von Verkaufsflächen im Erdgeschoß, sondern auch von Büros, Ordinationen und so weiter. Das muss sich ändern.

STANDARD: Welcher Zeitrahmen ist denkbar?

Weinberger: Mir fehlt im Augenblick der Dialog. Ich könnte mir vorstellen, dass wir den Herbst anpeilen, um überhaupt einmal mit der Politik zu sprechen. Es macht absolut keinen Sinn, das MRG weiterhin in kleinen Nuancen zu adaptieren. Es bedarf endlich einer längeren Diskussion mit allen Interessensvertretern an einem Tisch. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.6.2008)