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VP-Chef Wilhelm Molterer lässt Neo-SP-Chef Werner Faymann abblitzen

Foto: APA/Jäger
STANDARD: Wird die Zusammenarbeit in der Koalition durch die SPÖ-Personalrochaden beeinflusst?

Molterer: Es ist einiges passiert in der SPÖ, aber die Grundproblematik hat sich nicht geändert. Wie Werner Faymann im Standard richtig gesagt hat: Die SPÖ ist noch nicht in der Regierungsverantwortung angekommen. Ganz offen gesagt: Es wird nicht einfacher in der Regierung, weil die Strukturfrage nur komplizierter geworden ist. Eine endgültige Beurteilung der Auswirkungen auf die Koalition behalte ich mir noch vor.

STANDARD: Wovon hängt das ab?

Molterer: Es hat für mich ein echtes Alarmsignal gegeben. Wir haben eine Einigung in der Frage des Nachhaltigkeitsfaktors bei den Pensionen erzielt – mit Gusenbauer, mit Sozialminister Buchinger. Wenn jetzt Faymann als Erstes in seiner neuen Funktion sagt, dieser Nachhaltigkeitsfaktor wird abgelehnt, frage ich mich: Es kann doch nicht die Befindlichkeit einer Partei über so langfristig politische Notwendigkeiten entscheiden. Insofern bin ich sehr nachdenklich.

STANDARD: Sie bestehen also auf dem Pensionskompromiss?

Molterer: Wir haben das dreimal außer Streit gestellt: bei den Regierungsverhandlungen, im Jänner 2008 und jetzt zwischen mir und Alfred Gusenbauer. Für mich ist das ein Gesamtpaket, da hab ich einen Schritt getan, und da hat Alfred Gusenbauer einen Schritt getan.

STANDARD: Also besteht kein Verhandlungsspielraum mehr?

Molterer: Dieses Paket ist ein Paket ist ein Paket, ja.

STANDARD: Wo wäre die Schmerzgrenze für die ÖVP? Wäre ein Kanzlertausch denkbar?

Molterer: Die Beurteilung, welche Entscheidung ich meinen Parteifreunden vorschlage, behalte ich mir vor. Mit gewisser Skepsis sehe ich aber, dass es auf der einen Seite heißt, Alfred Gusenbauer ist Kanzler und wird wieder Spitzenkandidat, und gleichzeitig heißt es, es sei nur ein Zwischenschritt.

STANDARD: Ist ein Ende der Koalition wahrscheinlicher geworden?

Molterer: Ich kann’s noch nicht endgültig beurteilen. Die eine Frage ist: Hat sich in der SPÖ etwas verändert – zum Besseren, gar nicht oder zum Schlechteren? Das werden wir sehen: beim Budget, bei der Steuerreform. Und das andere ist: Hat sich an der Regierungsfähigkeit etwas verändert? Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass diese interne Entscheidung irgendetwas für die SPÖ erleichtert.

STANDARD: Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Faymann?

Molterer: Er ist ein absolut professioneller Partner bei Infrastrukturprojekten. Er hat jetzt aber eine nachgerade unlösbare Spagatsituation übertragen bekommen: auf der einen Seite Regierungskoordinator zu sein und auf der anderen Seite als designierter Obmann gleichzeitig die Ecken und Kanten der Partei zu schleifen. Und ich weiß, dass die tiefe Sehnsucht der SPÖ darin besteht, das auf Kosten der ÖVP zu machen. Da weiß ich nicht, wie es ihm dabei geht.

STANDARD: Ihnen wird oft vorgeworfen, blass zu sein: Vielleicht sollten Sie auch die Führung aufteilen.

Molterer: Nein, meine Gesichtsfarbe hängt ausschließlich davon ab, wie oft ich wandern gehe oder wie lange ich im Büro sitze. Wir lassen uns von der SPÖ nicht anstecken.

STANDARD: Werden Sie als ÖVP-Chef die Chance nutzen, auch eine Regierungsumbildung vorzunehmen?

Molterer: Die Tiroler ÖVP verhandelt derzeit die Regierung und wird dann zu gegebener Zeit entscheiden. Davon hängt das ab.

STANDARD: Wie wahrscheinlich ist es, dass Innenminister Günther Platter nach Tirol wechselt?

Molterer: Wahrscheinlichkeitsrechnung ist in der Schule anzuwenden, und Was-wäre-wenn-Fragen beantworte ich nicht.

STANDARD: Die ÖVP-Ressorts wollen den Entwurf von Justizministerin Maria Berger (SPÖ) zur Homo-Partnerschaft grundsätzlich überarbeiten. Eigentlich wollte man sich im Juni schon einigen.

Molterer: Es muss eine klare Unterscheidung zur Ehe geben. Wenn bei der SPÖ der Wille da ist, ist eine Einigung über den Sommer möglich. Manches von dem, was wir in den Zeitplänen haben, ist in den letzten Wochen aber nicht schneller vorangegangen, weil bei vielen in der SPÖ ein nicht unwesentlicher Teil der Kapazitäten durch die interne Diskussion gebunden war. (Günther Oswald, DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2008)