Der notwendige Sieg gegen Deutschland war für das Nationalteam nicht drin. Österreich hat in drei Auftritten bei der Europameisterschaft im eigenen Land kein einziges Tor aus dem Spiel erzielt. Farblosigkeit vor dem gegnerischen Tor, das war das Kardinaldefizit der Mannschaft in allen ihren Partien. Daran änderte auch nichts, dass Josef Hickersberger diesmal zumindest ein halbes Schmieranski-Team aufgeboten hatte. Doch Erwin Hoffer war nicht der Erlöser.

Statt Roland Linz an vorderster Front im Einsatz, drehte sich der kleine Rapidler zwar einmal flink, wie es seine Art ist, um Christop Metzelder - und verfehlte nur knapp. Es war dies Österreichs beste (und einzige wirkliche) Torchance. Man schrieb zu diesem Zeitpunkt Minute 83.

Österreichs Formation wirkte nicht ausbalanciert: Mit Emanuel Pogatetz, Christian Fuchs und Ümit Korkmaz fanden sich gleich drei Mann an der linken Flanke wieder. Die rechte Seite musste sich mit dagegen mit György Garics und Martin Harnik begnügen.

Der Beginn war schrecklich. Der sprichwörtliche Hühnerhaufen erblasste vor Österreichs - ja was? Vermutlich war eine Fünferkette angedacht, aufgefüllt noch durch Martin Stranzl und Martin Hiden. Doch insbesonders zwischen Pogatetz und Fuchs kam es zu erheblichen Abstimmungsschwierigkeiten. Die deutschen Spitzen Gomez und Klose, der gleich einmal Hidens beschränktes Sprintvermögen schonungslos nützte, hatten ihre Freude. Die Probleme potenzierten sich, wenn Podolski und Fritz nach vorne nachstießen und das Team in heillose Verwirrung gestürzt wurde.

Doch nach etwa 20 Minuten begann sich eine Erscheinung im Happel-Stadion zu materialisieren, durchscheinend noch, aber zunehmend an Färbigkeit gewinnend. Österreich wurde Deutschland, die Mannschaft kämpfte sich ins Spiel. René Aufhauser, sehr kantig, zeigte sich nicht gewillt zurück zu zucken. Zu Boden gehende Deutsche pflasterten den Weg des physisch enorm präsenten Salzburgers. Die Defensive konsolidierte sich. Österreich formierte sich bei Ballbesitz des Gegners zu einem 5-4-1 und versuchte bei Gelegenheit in wenigen Zügen rasch nach vorne zu manövrieren.

Der Doppelriegel begann Deutschland zu frustrieren, häufiges Quergeschiebe war ebenso Ausdruck von Einfallslosigkeit wie immer präziser werdendem Stellungsspiel der Österreicher. Garics, der bereits den sicher scheinenden Rückstand nach wenigen Minuten bravourös verhindert hatte, bildete mit Harnik ein gut funktionierendes Tandem. Auf souveräne Technik folgte sicheres Passspiel. Auch Raum wäre vorhanden gewesen, die Arme in die Höhe gereckt, wurde er leider von den Kollegen mehrmals übergangen.

Stranzl und Pogatetz gelang es, die deutschen Spitzen weitestgehend aus dem Spiel zu nehmen, während Hiden zwischen den beiden eine Art Libero gab. Er hielt sich dabei wacker, half aus wo Not am Mann war. Auch Fuchs, zunächst von vielen guten Geistern verlassen, riss sich am Riemen und tauchte in der österreichischen Druckphase kurz vor Seitenwechsel auch punktuell in der Offensive auf. Das Nationalteam hatte sich mit großem Willen und ebensolcher Laufleistung ein Übergewicht schwer errungen.

Korkmaz war etwas zentraler orientiert als noch gegen Polen. Er rochierte fleißig, konnte der routinierten Viererkette der Deutschen aber kaum einmal entwischen. Hoffer wirkte im Angriffszentrum isoliert, es fehlte ihm der Partner. Giftig bearbeitete er die bullige deutsche Innenverteidigung, viele Foulpfiffe gegen ihn waren meist die einzige Folge. Seine Sprintqualitäten blieben im Talon. Österreich lag zur Halbzeit bei begangenen Fouls deutlich, bezüglich der absolvierten Laufdistanz immerhin noch merklich in Führung - doch es konnte Jens Lehmann kein einziges Mal Gelegenheit bieten, seine unterstellte Unzulänglichkeiten zur Entfaltung zu bringen.

Daran sollte sich nichts Gravierendes mehr ändern. Im Gegenteil. Das sich eigentlich Österreich zuneigende Momentum wurde von Ballacks fulminantem Freistoß brüsk schachmatt gesetzt. Die ganze Wut über seine behäbige Ohnmacht schien der deutschen Kapitän in diesen Schuss gelegt zu haben. Jürgen Macho, bis dahin souverän am Boden wie in der Luft, stand im Eck des Einschlags. Der Hauch eines Zweifels ob einer nicht etwa doch vorliegenden Haltbarkeit konnte somit nicht zerstreut werden.

Letztlich verlor Österreich diese Auseinandersetzung in jener Disziplin, in der es (neben dem Kreieren von Chancen) die eklatantesten Schwächen offenbarte: Standards. Bei Corner oder Freistoß fand das Team nicht statt. Andreas Ivanschitz war überall und dabei doch nirgends. Der Kapitän durfte frei fließen, er wusste nicht wohin. Weder Kreativität noch Zug zum Tor waren zu bemerken. In der 81. Minute drang er erstmals in den deutschen Strafraum vor. Das Stoppen von Lahm, nach dessen scheinbar nicht enden wollenden Sololauf über das halbe Feld, war bis dahin seine auffälligste Handlung gewesen. Ganz gegen Ende hin versuchte er sich als Distanzschütze.

Auch Christoph Leitgeb, Roman Kienast und Jürgen Säumel entfachten im Prater keine Wendestimmung mehr. Österreich blieb bei aller Anstrengung was es war: harmlos. Klose allein strahlte in seinen wenigen Szenen mehr lethale Potenz aus, als Hickersbergers gesamte Elf. Immerhin: Sie brach nach dem Rückstand nicht ein, wie noch im letzten Testspiel gegen nämlichen Gegner. Man leistete sich keinen gravierenden Fehler, es gelang gegen ein durchwachsenes Deutschland zumindest ein Fight auf Augenhöhe. Das Ende kam wie dann erwartet, doch es kam ohne Schrecken aus. (Michael Robausch - derStandard.at 17.6. 2008)