Schutz vor den unsozialen Auswirkungen der Globalisierung, Erhalt der Arbeitsplätze und des Lohnniveaus, Sicherung der Pensionen: Das sind die Dinge, welche die EU-Bürger von der Europäischen Union am dringlichsten fordern. Und am wenigsten erwarten dürfen.

Es ist nicht die Schuld der EU-Kommission und nicht die des Parlaments, dass "die EU" diese Erwartungen nicht erfüllen kann.

Das, was die einzelnen Mitgliedstaaten als "sozial" sehen und anstreben, ist voneinander oft unendlich weit entfernt. Das, was konservative Franzosen als arbeitsrechtliche Minimalanforderung empfinden, bezeichnen sozialdemokratische Briten mehrheitlich als unnötige Auswüchse eines nutzlosen Sozialstaates. Das, was Italiener als wohlerworbene gewerkschaftliche Rechte definieren, erzeugt im heutigen Tschechien oder Polen nur Kopfschütteln.

Der mehr als fünf Jahre dauernde Kampf um eine gemeinsame Arbeitszeitrichtlinie zeigt diese Trennlinien und Verwerfungen deutlich. Die nunmehr erzielte wackelige mehrheitliche Einigung der Minister braucht viel Glück, um im Parlament durchzukommen.

Und es stellt sich nicht nur die Frage, ob sich all der Aufwand überhaupt lohnt, sondern warum grundsätzlich mit Gewalt etwas harmonisiert werden soll, was grundverschieden ist und nach dem Willen der Betroffenen offenbar auch so bleiben kann und sollte.

Sollen doch die Briten ihr Arbeitsrecht behalten und die Franzosen ihres - und damit einfach klarmachen, dass eine Sozialunion derzeit nicht in Reichweite ist. (Michael Moravec, DER STANDARD, Printausgabe, 11.6.2008)