Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Daniel Maurer
Die Enge im Brustkorb ist unerträglich. Das Herz rast und es gelingt kaum noch Luft zu holen. Ein Herzinfarkt? Mit dem Notarztwagen nur rasch ins Spital. Dort wird schnell klar: Es war Fehlalarm.

Dort wird klar: Fehlalarm.

Panikstörung oder Herzattacke

Die Crux für den Mediziner: Nicht hinter jedem Herzsymptom steckt auch ein krankes Organ. "Ein Patient mit Panikattacken hat nicht nichts", betont der Wiener Kardiologe und Psychotherapeut Georg Titscher. Er leitet österreichweit die einzige psychokardiologische Abteilung und nimmt Beschwerden wie diese sehr ernst. Panikstörungen, früher als Herzneurosen bezeichnet, sind in Hausarztpraxen ein häufiges Phänomen. Das Problem konkret ist die Angst.

Herzinfarkt führt in die Depression

Die gleiche Szene anders rum: Die Diagnose im Spital lautet tatsächlich Herzinfarkt. "Die meisten Betroffenen entwickeln nach einem derartigen Ereignis einen massiven Einbruch ihres Selbstwertgefühls. Bei vielen geht das bis zu einer therapiebedürftig Depression." Da sei ein psychosomatischer Zugang, um eine Depression zu erkennen besonders wichtig. Zusätzlich müsse man mit Betroffenen so sprechen, dass sie sich zur Therapie entscheiden. Bis zu zwei Drittel der Herzinfarktpatienten seien betroffen.

Depression und verkalkte Herzkranzgefäße

Aber auch Depressionen sind nachgewiesenermaßen evident an der Entwicklung verkalkter Herzkranzgefäße beteiligt. "Die Psychosomatik ist aber nicht so sehr eine Ursache-Wirkung-Frage", bemüht sich Titscher um mehr Verständnis und nimmt von den eindimensionalen Denkmodellen der Schulmedizin deutlich Abstand. Kurzum: Psychische Konflikte sind schlecht für das Herz, jedoch gilt dies auch umgekehrt. Ein krankes Herz macht auch die Seele krank.

Psychische oder organische Ursache

"Die seelische Unterstützung unserer Herzpatienten ist für den Verlauf und die Prognose ihrer Erkrankung entscheidend", erzählt Titscher erfreut darüber, dass zumindest an seiner Abteilung ganzheitliche Medizin alltäglich geworden ist. Das Wiener Hanusch Krankenhaus ist in Österreich seit mehr als zehn Jahren unnachgeahmter Vorreiter: Die Psychokardiologie ist dort fixer Bestandteil der Kardiologie.

Psychotherapie, Kunsttherapie und Medikamente

Das heißt einmal die Woche eine psychosomatische Visite, um abzuklären welche Beschwerden psychische und welche organische Ursachen haben. Die Behandlung besteht in den meisten Fällen aus einer Kombination von Psychotherapie und Medikamenten. Auch Kunsttherapie und Psychologen stehen zu Verfügung.

Seit zehn Jahren um Integration bemüht

Andernorts ist dieser Prozess eher zäh, die Psychokardiologie europaweit eine jugendliche Disziplin. Vier Jahre lang, zwischen 1998 und 2002, haben 38 internationale Wissenschaftler im Rahmen einer Statuskonferenz weltweite Daten analysiert und evaluiert. Ziel der groß angelegten Dokumentation: Der Einfluss psychosozialer Aspekte in der Kardiologie sollte nicht länger ignoriert, die psychologische Begleitung im Behandlungskonzept herzkranker Menschen endlich integriert werden. Mittlerweile zählt die Psychosomatik in der Kardiologie als das Gebiet, dass am besten evidence based erforscht ist.

Vorreiterrolle

"Ich glaube, dass das ist der Beginn ist. Es wird nicht mehr lange dauern, dann gibt es eine Psychogastrologie oder eine Psychonephrologie." Dass die Karddiologie die Rolle des Wegbereiters übernahm ist nicht zufällig. "Die Kardiologie ist wirklich eine Domäne der Psychosomatik und bei den Herzerkrankungen springen die Zusammenhänge zwischen Körper und Seele ganz einfach ins Auge." (rph,nia)