Paris - Die französische Regierung präsentierte den Sozialpartnern Ende vergangener Woche ein Gesetzesprojekt, das die 1999 eingeführten "35 heures" faktisch aus den Angeln hebt. Auf dem Papier bliebe die gesetzliche Arbeitszeit zwar 35 Wochenstunden. Doch die Unternehmen könnten komplett abweichende Lösungen treffen, während sich die Gewerkschaften kaum dagegen wehren könnten. "Die 35 Wochenstunden werden bald der Vergangenheit angehören", kommentierte Le Monde.

Auch gegen das neueste Gesetzesprojekt laufen die Gewerkschaften Sturm und sprechen von einer "Kriegserklärung". Der Anführer der CGT, Bernard Thibault, weist darauf hin, dass sich Sozialpartner und Regierung erst vor einem Monat auf eine Aufweichung, aber grundsätzliche Beibehaltung der 35-Stundenwoche geeinigt hätten. Firmen können demnach mehr Überstunden machen, diese werden zudem steuerlich begünstigt.

Überraschenderweise hat sich nun auch der Arbeitgeberverband Medef gegen das Vorgehen der Regierung ausgesprochen. Seine Präsidentin Laurence Parisot meinte, das im April geschlossene Abkommen sei verbindlich. Es schon wieder über den Haufen zu werfen, bedeute eine Missachtung der Sozialpartner.

Die meisten Arbeitgeber möchten die 35-Stunden-Woche indessen ganz aufheben. Sarkozy bezeichnete die umstrittenen "35 heures" selbst schon als soziale und wirtschaftliche "Katastrophe": Seit ihrer Einführung durch die Linke vor acht Jahren seien in Frankreich die Löhne stagniert, weshalb kein einziges europäisches Land diese Maßnahme aufgegriffen habe. Doch er wagt es nicht wirklich, seinen Worten Taten folgen zu lassen: Noch am Dienstag erklärte er in einem Radiointerview kategorisch, die 35-Stunden-Woche werde in Frankreich die "gesetzliche Arbeitsdauer" bleiben.

20 Milliarden für 35 Stunden

Damit nimmt er natürlich Rücksicht auf die Volksmeinung, die klar gegen die Abschaffung der 35-Stunden-Woche ist. Berufstätige Mütter haben sich längst daran gewöhnt, den schulfreien Mittwochnachmittag freizunehmen; andere fahren Freitagmittag ins Wochenende. Sarkozys Lavieren kommt Frankreich aber teuer zu stehen. Das Land subventioniert die "35 heures" jährlich mit mehr als 20 Milliarden Euro. Dieser Betrag diente ab 1999 dazu, den Firmen die Umstellung von 39 auf 35 Wochenstunden zu erleichtern; er wird aber weiterhin ausbezahlt.

Sarkozy macht nun alles noch schlimmer, indem er darüber hinaus noch die Überstunden fiskalisch begünstigt; sie kostet den französischen Staat nämlich noch einmal rund fünf Milliarden im Jahr. "Sarkozy will die Subvention der 35-Stunden-Woche durch die Subvention der Überstunden außer Kraft setzen", kritisiert der frühere Wirtschaftsminister Jean Arthuis. "Das ist ein ökonomischer Widersinn."

Mit seiner Zickzack-Politik verdirbt es sich Sarkozy nun auch mit den Gewerkschaften des liberalen Flügels seiner Partei. Mit der Präsentation des neuen Gesetzes ist das Thema keineswegs vom Tisch: Die CGT droht bereits mit harten Protestaktionen noch im Juni. (Stefan Brändle, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.6.2008)