Zu ebener Erde und im Kellergeschoß: Am Ring geht die kommenden fünf Wochen verkehrsmäßig wenig, in der Nacht auf Montag wurde für die Fanzone gesperrt.

Foto: Christian Fischer
Ein silbergraues Opel-Taxi ist es, das den privaten Autoverkehr auf dem Ring beendet. Montag um 0.42 Uhr schaut dessen Fahrer noch kurz auf den Polizisten, der in der Mitte der Fahrbahn steht und ihn durchwinkt. Dann rollt das Auto über die Straßenbahngleise, gibt Gas und braust Richtung Universität davon. Und ist damit das letzte Gefährt, dem das für die kommenden fünf Wochen gelingen wird – gleich nach dem Taxi zieht die Polizei ihre fünf Scherengitter auseinander und blockiert die ganze Straße.

Auswirkungen zeigt das im montäglichen Frühverkehr praktisch keine. Im Gegenteil: In 30 Minuten ist die Strecke vom nördlich der Donau gelegenen Strebersdorf in die Innenstadt am Morgen praktisch nie zu schaffen. Nicht so an diesem Wochenbeginn. Start um 7.45 Uhr, bis zur Nordbrücke: keine Probleme. Über die Nordbrücke, auf der man meist im zweiten Gang an den 80 km/h-Tafeln vorbei staut, geht es beim Selbstversuch des Standard dieses Mal tatsächlich mit 80 Sachen. So schnell wird Transdanubien im Rückspiegel nur selten kleiner.

Passierbare Stau-Zone Auch auf der Heiligenstädter und der Spittelauer Lände, sonst verlässliche Stau-Zonen, geht es zügig weiter. Absolut keine Nervenprobe. Entspannt geht es dann um 8.15 Uhr über den Ring. Der Blick auf die noch menschenleere Fanzone erinnert allerdings daran, dass es bald ganz anders sein kann.

Ob die Lage so ruhig bleiben wird, wagt bei der Verkehrsabteilung der Polizei nämlich im Vorfeld niemand zu beurteilen. "Wir rechnen mit drei Tagen Gewöhnungseffekt", mutmaßt Josef Binder von der Wiener Polizei, als er in der schwülen Nacht auf Montag auf dem Ring steht. "Andererseits finden angekündigte Katastrophen ja nicht immer statt. Es könnte sein, dass die Menschen ihre Autos stehenlassen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren." Das leistungsstärkste Massentransportsystem, die U-Bahn, muss aber fast zeitgleich mit der Ringsperre eine Einschränkung hinnehmen: Der Aufgang der U3-Station Volkstheater, der direkt in die Fanzone führen würde, ist mit Betriebsschluss ebenso wie der Ring bis zum 4. Juli gesperrt.

An neue Wege müssen sich auch die Autofahrer gewöhnen. Bereits ab Mitternacht marschiert ein Trupp Männer in Orange auf den beiden schon im Vorfeld gesperrten Ringfahrbahnen vor der Babenbergerstraße, über die der Verkehr Richtung "ehemalige Zweier-Linie"_umgeleitet wird. Bodenmarkierung für Bodenmarkierung verschwindet unter der vor sich hin ratternden Fräsmaschine.

Vorbereitung im Großformat

Der nächste Arbeiter bereitet die nun leere Fläche mit einem Gasbrenner im Großformat vor. Schließlich wird die Straße mit Klebestreifen versehen, um die neuen Leitlinien und Richtungspfeile zu markieren. Dann rollt die Farbmaschine drüber, die neuen Abbiegepfeile erscheinen, und der Verkehr rollt vom Ring weg. Die neue Linienführung birgt ein Problem: GPS-Navigationsgeräte helfen nicht mehr weiter. Daher empfehlen die Verantwortlichen, sie schon an den Stadtgrenzen der Host-Cities abzuschalten.

30.000 Fahrzeuge sind es innerhalb von 24 Stunden, die im Schnitt die innerstädtische Hauptstraße passieren, rechnet Martin Schipany von der Stadt Wien vor. Er ist einer der Verkehrsverantwortlichen für die EURO und versprüht Zuversicht. 10.000 Autos seien auf die "Zweier-Linie" verlagerbar. Die anderen 20.000 sollten dann großräumig ausweichen. Oder das Auto stehenlassen, lautet die Vision.

Denn auch auf zwei unmotorisierten Rädern kommt man ganz gut voran. Am Tag eins der Ringsperre sind nicht mehr Radfahrer unterwegs. Allerdings muss man Umwege in Kauf nehmen, da naturgemäß auch der Ringradweg teils gesperrt ist. Entweder man umradelt ihn außen – ebenfalls über die "Zweier-Linie", oder man wählt die City-Route über Augustinerstraße und Herrengasse.

Das zusätzliche Wadel-Training macht es leider nötig, fünf bis zehn Minuten früher als sonst aus dem Haus zu gehen. Wesentlich nervenaufreibender als der EURO-bedingte Mehrweg ist der Umstand, dass die Umfahrung einen Gutteil der Autolenker einigermaßen überfordert. Den weißen Pfeilen folgend scheren sie sich noch weniger um Radfahrer und Fußgänger als in Nicht-EURO-Zeiten. (Bettina Fernseber-Kokert, Michael Möseneder, Martina Stemmer/DER STANDARD-Printausgabe, 3.6.2008)