Das eigentliche Problem mit dem Patriotismus ist in Wahrheit, dass das Thema von den Rechten besetzt ist. Und die anderen reflexartig alles verdammen müssen, was nur irgendwie patriotisch riecht - wie rot-weiß-rote Fahnen auf Autos.

Mit Verlaub: Auf dem Bundeskanzleramt, auf dem Parlament flattert ständig die Bundesfahne im Wind. Am Nationalfeiertag gibt es in Wien keinen Gemeindebau, der nicht Flagge zeigt. In Stadien lassen die Fans (die von manchen als "mit vom Bier aufgedunsenen Gesichtern" denunziert werden) viel größere rot-weiß-rote Textilien über ihre Köpfe wandern. Wie kann man sich dann mit Inbrunst mokieren, dass Mitbürger mit Autofahnen herumkurven?

Abgesehen von hochnäsiger Abneigung gegen "Fußball-Proleten" eben auch, weil in Österreich Patriotismus von bestimmten Parteien für xenophobe Attacken missbraucht wird. Andere sehen es entspannter: Italienische Tifosi wälzen sich in Kolonnen nach einem Sieg der Squadra Azzurra fahnenschwenkend durch die Straßen. Franzosen verhalten sich nicht anders, wenn "Les Bleus" gewinnen. In Wien tauchen türkische und kroatische Fahnen auf.

Die EURO bietet die Chance, die Sache neu zu bewerten. Warum sollen sich Menschen bei der Meisterschaft von 16 Staaten nicht als Österreicher deklarieren? Warum verhindert der Anti-Fahnen-Reflex die Chance, die Deutungshoheit der Rechten zu beenden? Und Patriotismus positiv zu besetzen, statt sie "Österreich zuerst" geifern zu lassen? (moe)

Schwein gehabt

Anfangs konnte man sich ja noch einreden, dass die paar Landsleute, die da plötzlich in rot-weiß-rot-beflaggten Autos herumkurven, das bestimmt irgendwie ironisch meinen. So als wollten sie dem Rest der Welt sagen: "Wir wissen eh, dass es lächerlich aussieht, aber hin und wieder ein bisschen Mut zur Peinlichkeit hat doch auch was für sich." Jetzt, kurz vor dem EURO-Anpfiff, ist die Dichte an patriotisch geschmückten Gefährten allerdings verdächtig hoch. Dass deren Fahrer alle einen Scherz machen, ist eher unwahrscheinlich. Offenbar sind wesentlich mehr Österreicher bereit, ihre Heimatliebe zur Schau zu stellen, als man in Nicht-EURO-Zeiten annehmen könnte.

Stimmt schon: Es lebt sich ausgesprochen gut in diesem Land. Aber wozu stolz sein auf Österreich? Der Großteil der Bevölkerung hat jedenfalls nicht viel zum eigenen Österreichisch-Sein beigetragen. Er ist rein zufällig in einem ganz passablen Land auf die Welt gekommen - Schwein gehabt. Außerdem: Wer besonders stolz auf sich und die Seinen ist, kann den Rest der Welt nicht genauso klasse finden.

"Wir sind wir"-Gebärden kommen immer überheblich daher. Und wenn jetzt halb Österreich wegen einer Fußballeuropameisterschaft plötzlich seine Liebe zum eigenen Land entdeckt, ist das besonders absurd. Denn von jeher wird hierzulande über die mäßigen Leistungen unserer Fußballer gewitzelt. Warum sollen wir ihnen jetzt, nur weil die ganze Welt zuschaut, plötzlich wieder die Fahnenstange halten? (moe, stem/DER STANDARD - Printausgabe, 31. Mai 2008)