Es kommt nicht oft vor, dass Politiker sich selbst Einschränkungen auferlegen – am ehesten passiert das (natürlich nur bei entsprechendem Druck durch die Medien) beim eigenen Einkommen. Die Pläne für die Pensionsautomatik aber betreffen das Einkommen anderer. Und sie schränken den politischen Handlungsspielraum zumindest ein: Wenn die Lebenserwartung steigt, dann müssen die Menschen eben länger arbeiten, bevor sie einen wohlverdienten Ruhestand antreten können.

Denn der sozialen Pen_sionsversicherung liegt ein Prinzip zugrunde, das in den vergangenen Jahren völlig vernachlässigt wurde. Es ist das Versicherungsprinzip, das das Risiko versichert, für eine Erwerbsarbeit zu alt und zu schwach zu sein.

Wenn dieser Versicherungsfall eintritt, sollen die Menschen – mit kleinen Abschlägen – dasselbe Wohlstandsniveau halten können, das sie bisher hatten.

Sagt die Theorie.

Die Praxis hat sich ganz anders entwickelt: In Pen_sion ging (oder wurde geschickt), wer irgendeine halbwegs vertretbare Kombination aus Versicherungsjahren und Lebensalter plus allenfalls ein medizinisches Attest vorweisen konnte. Wer diese Hürde in die Pension geschafft hat, darf dann jahrzehntelang der Versichertengemeinschaft (und dem Steuerzahler, der ein Viertel der Pensionslasten trägt) auf der Tasche liegen. Aus der Ausnahme – bei Einführung der sozialen Pen_sionsversicherung hat ein beachtlicher Teil das gesetzliche Pensionsalter nicht erlebt, und ein weiterer Teil hat es kaum lange überlebt – ist der Regelfall geworden.

Der Erste, den das wirklich gestört hat, war ein gewisser Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler zwischen 2000 und 2007 – und ihm ist blanker Hass entgegengeschlagen, als er darangegangen ist, zumindest das gesetzliche Pensionsalter (das selbst eine höchst willkür_liche Festlegung ist) auch wirklich durchzusetzen. Die Statistiken, dass wir Österreicher immer gesünder, immer älter, immer arbeitsfähiger werden, halfen ihm nicht – massive Proteste (auch aus den eigenen, uneinsichtigen Reihen) waren die Antwort.

Die Regierung Gusenbauer setzt nun um, was die Opposition unter demselben Alfred Gusenbauer zu verhindern versucht hat: Die Wirklichkeit muss versicherungsmathematisch ins Pensionssystem hineinwirken.

Auch wenn diese Wirklichkeit Maßnahmen bedingt, die sozialpolitischen Populismus herausfordern.

Gerade deshalb ist es ja ein Fortschritt, dass sich die Politik eine gewisse Selbstbeschränkung auferlegt und vorab Bedingungen festlegt, bei deren Eintreffen an den Schrauben Pensionsalter, Beitragshöhe und Ersatzrate gedreht werden muss.

Traditioneller, an Wahlterminen und der Befriedigung aktueller Wünsche der eigenen Klientel orientier_ter Politikauffassung widerspricht das. So verbreitete der SPÖ-Parteipressedienst SK die Stellungnahme des alten Politfuchses Karl Blecha zwar unter der positiv klingenden Schlagzeile: „Blecha: Pensionsautomatik ist größte Pensionsreform aller Zeiten“ – um dahinter die Kritik des Pensionistenverband-Vorsitzenden zu verbergen, dass sich die Politik ihren Spielraum mit der Automatik selbst verbaue.

Das aber ist das Herzstück der Reform – künftig wird eben nicht auf die nächste Wahl geschielt, sondern auf die Zahlen geschaut. Spielraum bleibt dabei noch genug. Der Grundsatz, dass wer lange lebt, auch möglichst lange arbeiten muss, ist ja schon jetzt mit der Verlängerung der Hacklerregelung durchbrochen. Wichtig wäre nun, den Menschen das längere Arbeiten zu versüßen – anstatt neuer Hintertüren (Invaliditätspension) wäre eine kräftige Erhöhung der Reallöhne gefragt. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.5./1.6.2008)