Zu Sowjetzeiten waren die tadschikischen Giftdeponien streng bewacht, heute weiden dort Rinder

Foto: STANDARD/ Möseneder

Tadschikistan kontrolliert mit dem Vakhsh und dem Panj die beiden Quellflüsse des Amudarja, des bedeutendsten Fließgewässers in Zentralasien, der ungeheures Konfliktpotenzial birgt

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Umwelt-Altlasten aus Sowjetzeiten und die Aufteilung von natürlichen Ressourcen verschärfen das Nachbarschaftsverhältnis in Zentralasien. Wenn Tadschikistan das Wasser drosselt, sperrt Usbekistan das Gas. Das Konfliktpotenzial ist enorm - Von Michael Möseneder

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Würde nicht der beißende Geruch die Luft verpesten, könnte man das enge Tal bei Vakhsh, im Südwesten der zentralasiatischen Republik Tadschikistan, für eine der hier üblichen Weideflächen halten. Kühe und Esel trotten auf dem staubigen Boden und zupfen die spärliche Vegetation aus dem Boden.

Pestizide

"8000 Tonnen Pestizide, davon mindesten die Hälfte DDT, sind hier vergraben worden", erklärt Viktor Novikov, der in Tadschikistan für Unep arbeitet, das Umweltschutzprogramm der Vereinten Nationen. "Zu Sowjetzeiten war das Gelände noch eingezäunt und bewacht, Betonplatten sicherten besonders heikle Lagerstätten notdürftig ab." Davon ist mehr als 15 Jahre nach dem Ende der UdSSR keine Rede mehr.

Lokale Bauern graben den giftigen Pestizidcocktail ungehindert ab, um ihre Felder damit frei von Ungeziefer zu halten. Die Grabungsstellen offenbaren die ungesunden Farbtöne, die unter der dünnen Erdschicht vorherrschen: gelblich-ockerfarbene Gruben wechseln sich mit schwarzen ab.

Man weiß nichts über Gefahren

"Man weiß nichts über mögliche Gefahren für das Grundwasser oder darüber, wohin der Wind die Giftstoffe verweht", gibt Novikov zu bedenken. Eine Million Euro würde eine Analyse kosten, eine komplette Sanierung an die zehn Millionen Euro, schätzen die Experten. Geld, das Tadschikistan nicht hat - und daher auf Envsec hofft, eine Umwelt- und Sicherheitsinitiative von UNO, OSCE und Nato.

Eine Woche lang besichtigte die Envsec-Delegation besonders kritische Punkte in Tadschikistan, die zwölf Hektar große Pestiziddeponie (etwa die doppelte Fläche des Wiener Stadtparks) in Vakhsh ist dabei zwar ein großes lokales Problem, im regionalen Zusammenhang ist aber Wasser der größte Risikofaktor, sowohl für die Sicherheit als auch für die Umwelt.

Bedeutendste Fließgewässers in Zentralasien

Denn Tadschikistan kontrolliert mit dem Vakhsh und dem Panj die beiden Quellflüsse des Amudarja, des bedeutendsten Fließgewässers in Zentralasien, der ungeheures Konfliktpotenzial birgt. Denn aus dem Amudarja werden über Kanalsysteme die riesigen Baumwollfelder und Obstplantagen in Tadschikistans Nachbarrepubliken Usbekistan und Turkmenistan bewässert. Damit im Sommer aber genügend Wasser dafür da ist, muss das tadschikische Wasserkraftwerk Nurek seine Stromproduktion im Winter drosseln, um den Stausee für den trockenen Sommer aufzufüllen. In der Vergangenheit haben die Nachbarn dafür Erdöl und Gas geliefert - bis sich das politische Verhältnis radikal verschlechterte.

Gashahn abgedreht

Seit zwei Jahren produzieren die Tadschiken mehr Strom, als dem Wasserstand gut tut, Usbekistan hat im Gegenzug den Gashahn zugedreht - im vergangenen Winter froren die gut sieben Millionen Tadschiken bei bis zu minus 37 Grad in ihren ungeheizten Wohnungen.

Jetzt, Mitte April, ist der niedrige Wasserstand im Stausee deutlich sichtbar. Die Schneeschmelze der hochgelegenen Gletschergebiete werde das schon wieder ausgleichen, versuchen Vertreter des Energieministeriums zu beruhigen. Ein Optimismus, dem Jürg Krähenbühl, Schweizer Ingenieur und Envsec-Delegationsmitglied, wenig abgewinnen kann. Er warnt vor schweren Auseinandersetzungen, sollten sich die beteiligten Staaten nicht rasch auf ein geregeltes Wasserregime einigen.

50 Prozent Wasser könnte eingespart werden

Krähenbühl betont auch ein damit zusammenhängendes Problemfeld: die sintflutlichen Bewässerungssysteme der Region, die den Boden wegspülen. "Mindestens 50 Prozent des Wassers könnten durch besseres Kanalmanagement eingespart werden", ist er überzeugt. Die Farmer, die vorwiegend Baumwolle anbauen, leiten aber ungezügelt Wasser aus den Flüssen auf ihre Felder. Die Drainage führt aber zu verheerender Erosion der Lössböden.

Höchster Damm der Welt

Ein Beispiel lässt sich im Yavan-Tal, südlich der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, besichtigen. Metertiefe Krater und Canyons machen die Landwirtschaft unmöglich. "Vor gut 30 Jahren wurde das Wasser hierher geleitet, aus dem Weidegebiet wurden Ackerflächen", schildert Viktor Novikov. Mittlerweile sei ein Drittel der damaligen Fläche nicht mehr nutzbar, Erosion und stellenweise Bodenversalzung haben das Land unbrauchbar gemacht.

Für die Tadschiken steht aber fest, dass sie innerhalb ihrer Grenzen die Flüsse nach eigenem Gutdünken nutzen können. "Wir sind mit Wasser gesegnet, und wir wollen es nutzen", stellt Saidamir Siyamardov klar. Er ist Direktor des Wasserkraftwerkes Rogun. Das Kraftwerk wird mit 335 Metern den höchsten Damm der Welt haben - wenn es je fertiggestellt wird.

Investoren gesucht

1976 haben sowjetische Arbeiter mit dem Bau begonnen, umgerechnet rund 500 Millionen Euro sind bereits investiert worden - bis nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Arbeiten eingestellt worden sind. Nun wurden sie von der tadschikischen Regierung wieder aufgenommen, allerdings werden dringend Investoren gesucht.

Kostet die Fertigstellung des 2000-Megawatt-Kraftwerkes doch mindestens weitere 125 Millionen Euro. Dem Vernehmen nach soll China, das auch sonst mit der Errichtung von Straßen und Stromleitungen in Tadschikistan höchst aktiv ist, Geld in das Riesenprojekt pumpen.

Würde es fertig, könnte Rogun den Konflikt um das Wasser entschärfen, meint Krähenbühl. Falls es gemeinsam mit dem flussabwärts liegenden Kraftwerk Nurek vernünftig genutzt wird. Ob dieser Vorschlag aufgegriffen wird, muss sich erst weisen. (Michael Möseneder/ DER STANDARD Printausgabe 29.5.2008)