Nach ziemlich genau 569 Verhandlungsstunden in der Causa Bawag ist es nun so weit. Es gibt ein erstes – nicht rechtskräftiges – Teilurteil – und das ist sehr eindeutig ausgefallen. Die beiden Laien- und die beiden Berufsrichterinnen, die demnächst auch das Hauptverfahren der Bawag wegen der Karibik-Verluste entscheiden werden, glauben Helmut Elsner und Peter Nakowitz nicht. Ein deutliches Alarmsignal für die Angeklagten – jedenfalls sicher eines für Helmut Elsner.

 

Die Richter über den "Plastiksackerl-Kredit", das "Geldgeschenk" von mehr als 630.000 Euro an Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter, wollen Elsner für zweieinhalb Jahre unbedingt im Gefängnis sehen. Auch seinem "treuen Diener Nakowitz", wie die Anklage den Generalsekretär nannte, der nach Elsners Pensionierung in den Bawag-Vorstand aufsteigen durfte, versetzten sie unübersehbar einen kräftigen Schock: 15 Monate bedingt – und das, obwohl etwa nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob er denn nun die berühmte Plastiktasche brachte, in der Gerharter das Geld laut eigenen Aussagen "scheu" davontrug – um es fortan in einem anderen Bankinstitut zu veranlagen.

Nakowitz bestreitet das, die Richter nützten ihr Recht auf freie Beweiswürdigung – und glaubten ihm kein Wort. Die (nicht rechtskräftige) Verurteilung mag wohl auch ein Warnschuss für Nakowitz gewesen sein. Schließlich geht das große und mit Dokumenten sonder Zahl unterfütterte Bawag-Verfahren rund um die Karibik-Verluste von 1,4 Milliarden Euro noch weiter.

Mag sein, dass Nakowitz oder dem einen oder anderen Angeklagten ob der ersten Schuldsprüche doch noch das eine oder andere Detail einfällt. Mag sein, dass die Schuldsprüche die alten Fesseln der Loyalität im roten Netzwerk der Gewerkschaftsbank doch noch sprengen. Was vor der Urteilsverkündung auffiel, war ein von Tränen begleiteter Entlastungsversuch Elsners für seinen Generalsekretär: "Ich verstehe wirklich nicht, warum Nakowitz hier sitzt."

Dass Elsner (ohne damit die Unschuldsvermutung aufweichen zu wollen) noch länger da sitzen könnte, ist mit dem Gerharter-Urteil nicht unwahrscheinlicher geworden. Die Fakten hinter der Einschätzung: Nicht genug damit, dass das Gericht Elsner nicht glaubt – es attestiert dem selbst auf der Anklagebank noch so machtbewussten, autoritären und reflexionsresistenten Ex-Banker schnörkellos auch noch "hohe kriminelle Energie". Ein Charakterurteil, das zu einem schlechteren Zeitpunkt nicht kommen könnte. Elsners Ausgangslage für das nächste Urteil ist denkbar ungünstig.

Zu allem Überdruss hat er sich prozesstaktisch selbst ins Eck manövriert. Das Gutachten des Sachverständigen Fritz Kleiner, das auch ihn schwer belastet, wird gerade atomisiert. Elsners Anwalt, Wolfgang Schubert, hat 1264 Fragen gestellt, die Beantwortung kostet nicht nur rasend viel Geld (zahlen etwaige rechtskräftig Verurteilte), sondern beschert zudem wochenlange Verzögerungen.

Genau das brachte aber das Gericht in Zugwang, setzte angesichts der seit 15 Monaten dauernden Untersuchungshaft Elsners das "Beschleunigungsgebot" in Gang. Um die U-Haft nicht "unverhältnismäßig" lang werden zu lassen, musste die Richterin etwas unternehmen. Dass sie Elsner wegen Fluchtgefahr nicht freilassen will, ist nicht neu. Dass sie daher einen spruchreifen Verhandlungsteil ausschied und aburteilte, kann niemanden überrascht haben.

Einen (nicht rechtskräftigen) Schuldspruch am Hals, der Unglaubwürdigkeit und des hoch Kriminellen geziehen – wer Elsner kennt, ahnt, was er nun tun wird: Einen Schuldigen suchen. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.5.2008)