Der "Health-Check" der EU-Agrarpolitik hat einen klaren Befund gebracht: Die Bauernvertreter in der Union sind nach wie vor topfit.

Die Bedingungen für die Landwirte in der EU haben sich in den vergangenen Jahren und Monaten radikal verändert: Es gibt keine Milchseen mehr und keine Butterberge, Getreide und Mais sind so teuer wie noch nie. Und doch bleibt die Landwirtschaft auch nach der nun vorgeschlagenen Reform ein völlig durchregulierter, hochsubventionierter Wirtschaftszweig.

52 Milliarden Euro pumpen die Steuerzahler in der EU jährlich in die gemeinsame Landwirtschaft. Das Ergebnis: verkrustete Strukturen, keine Anreize zu marktadäquaterer Produktion und beschädigte Märkte in Ländern der Dritten Welt, die gegen die gestützten Produkte keine Chancen haben.

Die Reformbemühungen der Kommission gehen zwar in die richtige Richtung, mehr als ein paar zaghafte Trippelschritte waren bisher aber nicht möglich: keine Unterstützung für die Produktion von bestimmten Gütern mehr, sondern Geld für die Betriebe und eine Umschichtung hin zu Landschaftspflege und Umweltschutz. Und eine Reduktion der Subventionen für Großbetriebe.

Aus geplanten Einschnitten und Umschichtungen von bis zu 45 Prozent sind aber im Kommissionsvorschlag magere 22 Prozent geworden - und auch das nur im Extremfall. Die meisten Betriebe werden hingegen mit deutlich geringeren Reduktionen der Staatshilfen leben müssen, womit aus dem "Health-Check" der Kommission eher ein gemütlicher Besuch im Kosmetiksalon geworden ist.

In einer eigenen aufwändigen Studie kommt die Kommission zum Schluss, dass die Lebensmittelpreise weltweit kaum mehr auf das Niveau sinken werden, auf dem sie sich vor dem Beginn der Lebensmittelkrise vor knapp einem Jahr befanden. Dem trägt der Kommissionsvorschlag überhaupt keine Rechnung: Der Gedanke, dass die gestiegenen Weltmarktpreise dazu führen könnten, dass die Bauern in der EU so wie der Rest der Bevölkerung einmal völlig ohne staatliche Unterstützung auskommen könnten, ist offenbar undenkbar.

Nicht eingerechnet sind da noch Zusatzeinkommen, die durch die Biosprit-Pläne hinzukommen: Mithilfe von Subventionen stillgelegte Flächen können für die Erzeugung von Energiepflanzen wieder benutzt werden. Und die steigenden Erträge der landwirtschaftlichen Flächen haben auch dazu geführt, dass Agrarboden deutlich wertvoller geworden ist.

Vervollständigt wird das Bild von der Einkommensentwicklung. Während es in Österreich seit 2000 im Schnitt Reallohn-Verluste gegeben hat, stiegen die Einkommen der in der Landwirtschaft Tätigen (zwar von einem niedrigeren Niveau aus, aber immerhin) in den vergangenen Jahren real im Schnitt um fünf bis sieben Prozent.

Vor diesem Hintergrund müsste ein wirklicher Gesundheitscheck der Agrarförderung viel tiefer ansetzen, aber der Kommission ist hier kein Vorwurf zu machen: Die Änderung der Politik erfordert Einstimmigkeit. Und die Agrarminister der meisten EU-Staaten betreiben keine Agrarpolitik im Interesse ihres gesamten Landes oder gar der EU, sondern eine beinharte Vertretung ihrer Klientel.

Da wird über "Fettkorrekturkoeffizienten" und "Modulationsprozentsätze" gestritten, und der Verdacht liegt nahe, dass hier doch eher einfache Zusammenhänge möglichst so dargestellt werden sollen, dass sich Außenstehende mit Grauen abwenden.

Die Agrarlobby arbeitet perfekt. Zum Vorteil der Union ist das leider nicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.5.2008)