Filme machen wie gute Tischler: Regisseur Götz Spielmann und sein Hauptdarsteller Johannes Krisch über "Revanche".

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Wien - Und wenn demnächst wieder einmal der Punkt kommt, an dem man innehält und sich fragt, worüber denn die österreichische Film- und TV-Produktion der letzten paar Jahre über dieses Land erzählt hat, parallel zum Flehen um mehr Förderung: Es steht wohl, abseits vom Oscar-Erfolg der Fälscher und einiger herausragender Einzelgänger-Handschriften zu befürchten, dass größere Sprünge einfach "nicht drinnen" waren. Dass die guten Drehbücher rar sind. Na ja, und "soo schlecht" war es ja auch wieder nicht. Oder?

Man wird sich, will man die tatsächlichen kinematografischen Perspektiven in Zeiten relativer Erfolge ermessen, auf Dauer vielleicht weniger am Auslandsoscar für intelligent gestaltete Vergangenheitsbewältigung orientieren müssen. Was hierzulande möglich wäre - und zwar ohne Einschränkung auf regionale Limits -, das zeigt Revanche, der jüngste Spielfilm des Regisseurs und Drehbuchautors Götz Spielmann (zuletzt, vor immerhin bald vier Jahren: Antares), ein formal und inhaltlich konsequentes Drama rund um Schuld und Sühne, Großstadt und "Provinz", Lebenshaltungen, die nur mühsam zueinanderfinden.

Da wäre ein kleiner Ganove aus dem Rotlichtmilieu (Johannes Krisch), der in einem Banküberfall die letzte Chance auf Unabhängigkeit für sich und die Liebe seines Lebens sieht. Da wäre ein Polizist (Andreas Lust), der aufgrund dieses Überfalls plötzlich selbst zum "Täter" geworden ist. Und da wäre die Frau dieses Polizisten (Ursula Strauss), die unwissend ein Terrain betritt, wo nicht mehr klar wird: Ist sie Mittel zum Zweck der Rache, oder ereignet sich über sie eine überraschende Katharsis?

Reise in die Stille

Revanche, frei von glättender Filmmusik und phasenweise erzählt in bedrohlich sanften Steady-Cam-Fahrten: Das beginnt in bedrückend engen Nachtclub-Ambientes, um dann draußen am Land in einer dem heimischen Kino der letzten Jahre wenig vertrauten Weite andere Beengungen (etwa durch familiäre Zwänge) aufzugreifen: "Eine Reise, die in der Stille mündet", nennt Götz Spielmann seinen Film im Gespräch mit dem Standard.

Diese Stille, sie korrespondiert vortrefflich mit dem seltsam verzögerten, lauernden Mienen- und Körperspiel von Johannes Krisch, der, seit Jahren ein ewiges Talent des Burgtheaters, hier quasi eine Filmrolle seines Lebens wahrgenommen hat. "Marlon Brando", sagt er ("Ja, das klingt jetzt wahrscheinlich ein bisschen unbescheiden"), wenn man ihn nach Vorbildern befragt.

"Heimatfilme"

Das klingt für heimische Verhältnisse selbstsicher, aber, wie gesagt: Die heimischen Verhältnisse, sie sind, so genau Revanche Charaktere und Landschaften zeichnet, auch nur sehr bedingt eine Rolle für die Machart dieses Films.

"Heimat" zum Beispiel, hierzulande bis zum Abwinken geschönt durch "Heimatfilme", sie ist für Spielmann im genreüblichen Sinne kein Thema: "Überhaupt habe ich das, was da jetzt als Genrekino wahrgenommen wird, nie in solchen Kategorien gedacht. Am Anfang, da waren zum Beispiel nur ein paar Bilder in meinem Kopf, ein Teich im Wald, ein Mann beim Holzfällen. Und das Land, mein Land? Das ist für mich Material, so wie Holz für einen Tisch."

Der freilich sehr präzise bearbeitet sein will: Nicht nur der "gelernte Tischler" Johannes Krisch geht ins Handwerkliche, wenn er beschreibt, wie das ist: Als Schauspieler "den Hobel scharf machen", nicht zuletzt nach einer längeren Probenklausur, "irgendwo zwischen Kloster und Skikurs. Ich hab das Drehbuch gelesen und gewusst: So etwas Reduziertes, Pures kriegt meinereiner so schnell nicht wieder. Und ich habe es selten erlebt, dass einem ein Regisseur die unnötigen Schnörkel im Spiel so zu vermeiden hilft wie Götz."

"Glanz des Notwendigen"

Auch Spielmann beschäftigt das Spiel mit, nein richtiger, "die Arbeit an der Form". "... bis die Form zum Zeichen ihrer Vollendung den Glanz des Notwendigen trägt", zitiert er Hölderlin. In schriftlicher Form mag das, einen heimischen Filmemacher dieser Tage zitierend, etwas prätentiös klingen. Wenn man aber Revanche sieht, etwa eine leicht gekräuselte Wasserfläche, in der ein schwerer hineingeworfener Gegenstand jäh Wellen schlägt, dann sieht man diese Intention eingelöst.

Man würde sich hierzulande jedes Jahr mehrere Filme wie diesen Wünschen: Erzählungen, die ihre Charaktere wieder in Bewegung setzen, anstatt sie resignativ und voll Ressentiment leiden zu lassen. Genau: Kino, das bewegt. Hoffentlich mit ganz viel Publikum. (Claus Philipp/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.5.2008)