Wien - Die 60.000 Beschäftigte der Elektro- und Elektronikindustrie erhalten rückwirkend mit 1. Mai 3,4 Prozent mehr Gehalt. Auf eine entsprechende Anhebung der Ist-Löhne und -Gehälter haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft nach einer fast 15-stündigen Marathonsitzung Mittwochfrüh geeinigt. Für KV-Mindest-Lohnbezieher beträgt die Erhöhung 3,5 Prozent, der neue Mindestbezug liegt jetzt bei 1.400 Euro. Zuzüglich haben die die Sozialpartner eine Einmalzahlung von 180 Euro und flexible Modelle vereinbart, nach denen die Unternehmen die Erhöhung auch anders verteilen können.

Die Unternehmen erhalten demnach auch die Möglichkeit, die Ist-Löhne nur um 3,2 Prozent zu erhöhen, wenn sie dafür eine zusätzliche Einmalzahlung von 8,4 Prozent des Gehalts von April 2008 an die Mitarbeiter ausschütten. Alternativ gibt es außerdem eine Verteilungsoption, nach der das Unternehmen zusätzlich zu einer Ist-Erhöhung von ebenfalls mindestens 3,2 Prozent dann weitere 0,4 Prozent der Lohn- und Gehaltssumme von April 2008 als individuelle Lohnerhöhung unter den Mitarbeitern aufteilen muss. Ebenfalls um 3,5 Prozent erhöht werden die Zulagen, die Reiseaufwandsentschädigungen und die kollektivvertragliche Lehrlingsentschädigung.

Vor dem Hintergrund der deutlich nach unten korrigierten Wirtschaftswachstumsprognosen habe man damit einen "passablen Abschluss" erzielt, sagte der Chefverhandler der Angestelltengewerkschaft GPA, Karl Proyer, am Mittwoch zur APA. In Summe bringe der Abschluss für Niedrigverdiener einen Bruttoeinkommenszuwachs von bis zu 4,1 Prozent. Von ihnen gebe es in der Elektroindustrie deutlich mehr als etwa in der Metallindustrie.

Verteiloption

Außerdem geht Proyer davon aus, dass die großen Unternehmen auch die Verteiloption in Anspruch nehmen werden. Allen voran hofft er, dass auch Siemens die Option wieder nützen wird. Zusammen mit einer in der Elektroindustrie fix vereinbarten einmaligen Ausschüttung von 0,35 Prozent der Gehaltssumme im Sommer stehe für die Bediensteten auch noch nach Abzug der hohen Inflation und der zusätzlichen Steuerbelastung doch noch ein Nettoeinkommenszuwachs, rechnte Proyer.

"Das Ergebnis ist das Resultat langer und schwieriger Verhandlungen, die durch zwei gegenläufige Trends, einerseits die gestiegene Inflationsrate und andererseits die deutlich abflauende wirtschaftliche Lage, gekennzeichnet waren", erklärte auch der Obmann des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), Albert Hochleitner, nach der Einigung in einer Pressemitteilung. Die Kompromissfindung sei dadurch heuer "äußerst kompliziert" gewesen. Durch die Einmalzahlung würden die Mitarbeiter nun aber auch an den "guten Jahresergebnissen 2007 teilhaben", so Hochleitner.

Vier Verhandlungsrunden

Insgesamt benötigte die Branche heuer vier Verhandlungsrunden. Schon Ende April waren die Verhandler einmal bis in die frühen Morgenstunden gesessen. Erst vor einer Woche trommelten Metallergewerkschaft und GPA in Wien 800 Betriebsräte aus ganz Österreich zusammen, um die weitere Verhandlungsstrategie festzulegen. Die abschließende Runde in der Nacht auf Mittwoch zog sich bis acht Uhr in der Früh.

Auch für die kommenden Kollektivvertragsverhandlungen in anderen Branchen stehen die Zeichen eher auf Sturm. Die Gewerkschaft hofft jedenfalls, in nächster Zeit in anderen Branchen noch höhere Abschlüsse erzielen zu können. Denn die Elektroindustrie nehme auf Grund der hohen Exportanteile, des starken Standortwettbewerbs innerhalb Europas, der extremen Konzernabhängigkeit und der teilweise noch bestehenden Werkbankfertigung eine Sonderstellung ein - Argumente, auf die andere Branchen nicht verweisen könnten, betonte Proyer. (APA)