Interessante Einblicke in die Entstehung von Gesetzen liefert die aktuelle Gesundheitsreform. Zunächst wurden die Sozialpartner von der Regierung beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. Gesagt, getan. ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl legten vor einem Monat ihr Konzept vor.

Damit war ihre Arbeit aber noch lange nicht getan. Die Sozialpartner-Experten waren auch federführend für die Erstellung des konkreten Gesetzestextes verantwortlich. Sie haben innerhalb von wenigen Wochen ihre eigenen Vorschläge legistisch umgesetzt. Jede kleine Adaptierung oder Abweichung von den ursprünglichen Plänen musste von ihnen abgesegnet werden, berichten Verhandler.

Das Gesundheitsministerium von Andrea Kdolsky (ÖVP) nahm bei der Erarbeitung der Gesundheitsreform quasi nur eine Statistenrolle ein. Nicht einmal die Ministerin selbst durfte noch Änderungen vornehmen. Wer einen Teil des Pakets aufschnüre, schnüre alles auf, hieß es. Übersetzt bedeutet das: Wenn Kdolsky noch Wünsche hat, fallen ihrem SPÖ-Gegenüber Erwin Buchinger mindestens ebenso viele ein. Von den Gewerkschaftern in den Ländern, die ohnehin um Macht und Pfründe fürchten, gar nicht zu reden.

"Speed-Kills-Politik"

Da drängt sich aber die Frage auf: Wozu brauchen wir noch eine Regierung oder ein Parlament? So berechtigt die Reformvorschläge von ÖGB und Wirtschaftskammer für das Gesundheitswesen sein mögen, die Optik ist keine gute. Die Sozialpartner dürfen nicht von einer Neben- zu einer Hauptregierung werden.

Laut Fahrplan bleiben jetzt genau zwei Wochen für das Begutachtungsverfahren. Den früheren schwarz-blauen oder schwarz-orangen Regierungen hätte man in so einem Fall vorgeworfen, eine "Speed-Kills-Politik" zu betreiben.

Es gibt gute Gründe, die Position der Sozialversicherung bei Honorarverhandlungen mit den Ärztekammern zu stärken und die Stellenpläne für die Kassenärzte kritisch zu hinterfragen. Es gibt auch gute Gründe, die alten Strukturen innerhalb der Sozialversicherungen zu überdenken und eine starke Holding einzuführen. Nur: Diese Gründe müssen erklärt und diskutiert werden. Ein Beschluss im Eilzugstempo ist bei einer derart komplexen Materie nicht angebracht.

"Finanzierung aus einer Hand"

Gleichzeitig sind die Gegner der Reform gefordert, ihre Argumente auf den Tisch zu legen. Bisher hat man in erster Linie eines gehört: Nein, nein und nochmals nein. Das ist zu wenig. Wer nichts zu sagen hat, wird auch nicht gehört.

Die Regierung muss sich ihrerseits den Vorwurf gefallen lassen, einen wesentlichen Teil der Reform des Gesundheitswesens komplett ausgespart zu haben: die Spitäler. Für diese zahlen die Krankenkassen zwar fleißig, zuständig sind aber die Länder.

Auf eine "Finanzierung aus einer Hand", die laut Experten das größte Sparpotenzial realisieren könnte, werden wir also noch länger warten. Für die Regierung war nämlich von Anfang an klar, dass dieser Punkt, der ebenfalls von den Sozialpartnern vorgeschlagen wurde, mangels Erfolgsaussichten aufgeschoben wird.

Der einfache Grund: Ohne Zustimmung der Länder geht nichts. Praktischerweise (für die Länder) wurde der letzte Finanzausgleich, in dem die Geldflüsse geregelt sind, gleich für sechs statt für vier Jahre abgeschlossen. Die nächste Möglichkeit, einen neuen Verteilungsschlüssel einzuführen, besteht also erst im Jahr 2013.

Finanzminister Wilhelm Molterer hat sich hier offenbar von den Länderfürsten über den Tisch ziehen lassen. (Von Günther Oswald/DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2008)