"Es lag an Zastava", könnte man frei nach James Carville sagen. Der Berater von Bill Clinton hatte den Wahlsieg des Demokraten 1992 mit den Worten "It's the economy, stupid" kommentiert. Dass der proeuropäische serbische Präsident Boris Tadic kurz vor den Wahlen die Zusage des italienischen Autokonzerns Fiat bekam, 70 Prozent des Yugo-Herstellers Zastava zu übernehmen, brachte den Demokraten in der Autostadt Kragujevac 60 Prozent der Stimmen ein.

Die Medizin für Kragujevac wirkte in ganz Serbien. Sie enthält: Aussichten auf Jobs und steigende Einkommen, Auslandsinvestitionen, die Möglichkeit einer positiven Identifikation, also eine Idee davon, wie Serbien aus dem sozialen und politischen Abseits herauskommen kann.

Das Wahlergebnis vom Sonntag hat aber nicht nur gezeigt, dass die Vernünftigen die Oberhand gewonnen haben, entscheidend ist, dass die Nationalisten verloren haben. Und mit ihnen die Angst. Obwohl die Kosovo-Albaner einseitig die Unabhängigkeit erklärten und serbische Nationalisten monatelang kampagnisierten, dass die Serben ein Volk seien, das von der Welt verraten wurde, haben die Radikalen nicht dazugewonnen. Was soll da noch Schlimmes passieren? Serbien ist in Europa angekommen.

Die Politik der 1990er-Jahre ist endgültig entzaubert. Die Zeit, in der sich Brüssel und die Nachbarn des Balkanlandes vor jeder Wahl vor der Machtübernahme der Radikalen fürchten mussten, ist vorbei. Und damit hat die Kultur des Erpressens, die auch nach der Ermordung von Premier Zoran Djindjic 2003 die Politik dominierte, ihre Wirkung verloren. Die Mehrheit der serbischen Bürger ist offenbar europäischer als ihre politische Klasse. Und die Revolution im Jahr 2000 wirkte offenbar nachhaltiger, als viele dachten. Serbien ist nicht mehr der Destabilisator auf dem Balkan, sondern gerade dabei, ein ganz normales Land zu werden, das sich - wie andere Länder auch - in einer schwierigen Übergangssituation befindet.

Jetzt muss Europa antworten: mit Anreizen, Benchmarks, die erreicht werden müssen, und mit klaren Forderungen. Die versprochene Visafreiheit muss rasch umgesetzt werden, der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Ex-General Ratko Mladic muss ausgeliefert werden, wenn das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen der EU umgesetzt werden soll, Investitionen müssen mit Wirtschaftsreformen einhergehen.

Die Demokratische Partei (DS) ist zwar auf die Unterstützung der Milosevic-Sozialisten angewiesen, dennoch ist sie in einer guten Position - denn es gibt keine Alternative zu einer von der DS geführten Regierung. Selbst wenn die Radikalen mit den Nationalisten von Vojislav Kostunica zusammenarbeiten, wäre dies eine Koalition der Wahlverlierer. Und damit äußerst instabil.

Im Nachhinein betrachtet, hat Tadics vielkritisierter Wankelmut den Erfolg gebracht. Einerseits hat sich die DS zwar klar zu Europa bekannt, andererseits weigerte sich Tadic, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. Viele proeuropäische Serben haben ihm diesen Populismus nicht verziehen. Andererseits hätte eine andere Haltung zur Kosovo-Frage womöglich zum politischen Selbstmord geführt. Die Liberaldemokraten konnten jedenfalls damit nicht gewinnen.

In Wirklichkeit sind die Haltungen der serbischen Politik zum Kosovo ziemlich unerheblich, denn an der Unabhängigkeit Prishtinas ändert auch die pointierteste Meinung in Belgrad nichts. Erfreulich ist aber, dass eine DS-Regierung in Belgrad sicher nicht die serbischen Scharfmacher im Nord-Kosovo unterstützt. (DER STANDARD-Printausgabe, 13.5.2008)