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Friede und Freude bei den österreichischen Grünen: Deren 28. Bundeskongress brachte im Hinblick auf Diskussions- und Streitkultur ein Novum.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Alpbach - Der 28. Bundeskongress der Grünen brachte im Hinblick auf Diskussions- und Streitkultur ein Novum: Ungewöhnlich ruhig und mit nur einer einzigen kritischen Stimme lief die Debatte über den Rechenschaftsbericht des Bundesvorstands über die vergangenen zwei Jahre ab.

Was bei den vergangenen Parteitagen immer wieder die Möglichkeit zu einer Art Generalabrechnung geboten hatte, die auch weidlich ausgenützt wurde, nahm diesmal auch zur Verwunderung der rund 250 Delegierten nur ein Kritiker wahr - der Tiroler Gemeinderat Michael Bürkle. Er bemängelte die "Schönfärberei" und "dass man nur mehr wahrnehmbar ist mit Koalitionsspekulationen und ob wir mit dem BZÖ oder der SPÖ gehen sollten".

"Unsere Politik ist nicht wahrnehmbar"

Bürkle meinte, obwohl der SPÖ massenhaft Wähler davongelaufen seien, hätten die Grünen in Niederösterreich nicht davon profitieren können. "Man tut so, als existierten Probleme nicht", sagte er - und: "Unsere Politik ist nicht wahrnehmbar in den Bereichen Verkehr, Steuern, Soziales und Klimaschutz. Wahrnehmbar sind wir mit den Untersuchungsausschüssen mit Peter Pilz und Werner Kogler und mit Koalitionsspekulationen."

"Unterschiedliche Wahrnehmungen"

Bundesgeschäftsführern Michaela Sburny sprach von "offenbar unterschiedlichen Wahrnehmungen", die es gebe. Sie behaupte nicht, dass alles wunderbar sie, doch habe sie keineswegs Schönfärberei betrieben. Niederösterreich sei natürlich kein erfreuliches Ergebnis gewesen, aber sie wende sich gegen "allgemeine Pauschalverurteilungen" nach dem Motto, "wir können es und ihr seid's zu doof dazu. Das finde ich nicht angebracht."

"Die Kurve kriegen"

Eine Wende in Tirol bei den Landtagswahlen am 8. Juni und damit eine Abkehr vom "Machtmissbrauch und Filz der ÖVP" forderte zu Beginn des Bundeskongresses der Chef der Grünen Landespartei Georg Willi. "Es muss ein Ende haben, dass in Österreich wenige reicher und viele ärmer werden. Die Zuhälter der Globalisierung kassieren ab, mit Hilfe der ÖVP." Tirol solle deshalb "die Kurve kriegen", das Doppelspiel der Volkspartei beenden und eine Neuverteilung der Macht ermöglichen.

Dabei spielte Willi auf das getrennte Antreten der ÖVP unter Landeshauptmann Herwig Van Staa und dem scheidenden AK-Präsidenten Fritz Dinkhauser an. "Zwei ältere Herren streiten fest, sitzen oben auf der Kutschn und während die Kutsche gegen die Mauer fährt, streiten sie sich um die Zügel". Nach der Wahl würden beide wieder zusammengehen, "genau das wollen und werden wir stoppen".

"Einen anderen Weg gehen"

Alpbach als "Ort der Vordenker und Querdenker" sieht Willi als Symbol für den inzwischen bereits 28. Grünen Bundeskongress. "Alpbach geht mit offenen Fensterläden hinaus in Europa und die ganze Welt. Es gibt ein anderes Tirol, wo die Fensterläden zu sind." So gebe es in Tirol 50 Prozent Haushalte mit Ölheizungen und "jeder zweite fragt sich, wie kann ich die Preissteigerung bei Öl, allein seit Jahresbeginn 26 Prozent, bezahlen". Die ÖVP mache jedenfalls nichts dagegen. "Das Klimadesaster der Regierung ist amtlich vom Rechnungshof bestätigt. Die Grünen werden einen anderen Weg gehen, mit Verteilungsgerechtigkeit statt der schiefen Ebene zulasten der Schwächeren."

Bundessprecher-Wahl

Am späteren Nachmittag präsentiert Bundessprecher Alexander Van der Bellen, der Sonntag zum sechsten Mal als Parteichef gewählt wird, den Leitantrag der Grünen zur Verteilungsgerechtigkeit. Ebenfalls am Sonntag wird der Bundesvorstand neu gewählt. Um zwei beim Bundeskongress zu wählende Plätze bewerben sich drei Kandidaten - Sicherheitssprecher Peter Pilz, Budgetsprecher Werner Kogler und der Wiener Martin Margulies, der zuletzt der Partei vorgeworfen hatte, zu wenig Kanten und Ecken zu haben und sich für die nächste Bundessprecher-Wahl in zwei Jahren einen Generationenwechsel wünscht. Der Kärntner Rolf Holub hat seine Kandidatur zurückgezogen. (APA)